Wie fühlt sich eine Welt ohne Buchstaben an?
Im Rahmen der Interkulturellen Woche fand heute auf dem Europaplatz eine Infoveranstaltung zum Thema Alphabetisierung statt; organisiert und durchgeführt vom Grundbildungszentrum (GBZ) Wetterau. Als Schirmherrin der Interkulturellen Woche in der Wetterau begrüßte Erste Kreisbeigeordnete Stephanie Becker-Bösch die Veranstalterinnen und Gäste. Sie rief dazu auf, „die Tore zu öffnen und das Thema Analphabetismus aus der Tabuzone zu holen.“
„Stanley and Iris“ ist ein Film aus dem Jahr 1990. Robert de Niro spielt darin einen Koch, der nicht lesen kann und sich durchs Leben mogelt bis er in Iris, dargestellt von Jane Fonda eine Partnerin findet, die ihm die Welt des Lesens und Schreibens eröffnet.
So wie Stanley geht es bundesweit rund 6,2 Millionen Menschen im erwerbsfähigen Alter zwischen 18 und 64 Jahren: sie sind funktionale Analphabeten bzw. gering literalisiert. An einer Welt, die auf Sprache aufgebaut ist, können sie nicht oder nur sehr schwer teilhaben. E-Mails und SMS schreiben, nach Rezept kochen, einen Behördenbrief oder eine Zeitung lesen, sich im Internet informieren: All dies ist einer Welt ohne Buchstaben nicht möglich.
Eines der Anliegen der Interkulturellen Woche ist gesellschaftliche Teilhabe, die aber gerade Menschen, die des Lesens und Schreibens nicht mächtig sind schwer fällt. So ist der Weltalphabetisierungstag, noch dazu kurz vor der Bundestagswahl eine gute Gelegenheit, diese Bevölkerungsgruppe in den Fokus zu nehmen. Aktive Teilhabe aller, auch am politischen Leben ist Voraussetzung für Chancengleichheit, und dies passiert über Schriftsprache.
Stephanie Becker-Bösch, Erste Kreisbeigeordnete und Schirmherrin der Interkulturellen Woche in der Wetterau rief dazu auf: „Lassen Sie uns die Tore öffnen, um das Thema Analphabetismus aus der Tabuzone zu holen. Ich bedanke mich beim Internationalen Bund, dass sie sich dieses wichtigen Themas im Rahmen der Interkulturellen Wochen angenommen haben, auf die Problematiken aufmerksam machen und sensibilisieren wollen.“
Wie fühlt es sich an?
Auf dem Europaplatz waren drei Pavillons aufgebaut, die Dorothee Schätzle vom Grundbildungszentrum Wetterau (GBZ) in ihrer Begrüßung erläuterte. So konnte am Selbsterfahrungspavillon ausprobiert werden, wie es sich anfühlt, schlecht lesen zu können: Spiegelverkehrte Texte, Texte in Sütterlin geschrieben oder mit Auslassungen, wobei die Buchstaben zwar richtig, aber die Zwischenräume zwischen den Wörtern falsch gesetzt waren, so dass der Sinn sich nur erschwert erfassen ließ. Am Politikpavillon ging es um politische Inhalte in einfacher und normaler Sprache und der dritte Pavillon war dem Austausch mit den Gästen gewidmet.
Eingeladen waren Vertreter/innen der Agentur für Arbeit, des Jobcenter, der Volkshochschule, des Mütter- und Familienzentrums Bad Nauheim, des Internationalen Zentrums Friedberg. Das Grundbildungszentrum (GBZ) Wetterau gehört zum Internationalen Bund IB Südwest GmbH und wird gefördert aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds und des Landes Hessen.