Kornelia Schäfer - Engagement für die Gleichberechtigung
Nach 20 Jahren und neun Monaten geht Kornelia Schäfer, Leiterin des Fachdienstes Frauen und Chancengleichheit in den Ruhestand. Ihrer Nachfolgerin Claudia Taphorn übergibt sie einen etablierten, in der Wetterau und darüber hinaus anerkannten und gut vernetzten Fachdienst. „Ich habe Frau Schäfer als sehr engagierte, gut vernetzte und umsichtige Leiterin des Fachdienstes Frauen und Chancengleichheit kennen gelernt, die sich auch über den Wetteraukreis hinaus frauenpolitisch engagiert hat“, hob Landrat Jan Weckler bei der Verabschiedung der langjährigen Frauenbeauftragten hervor.
„Häusliche Gewalt, Vereinbarkeit von Beruf und Familie, eigenständige Existenzsicherung von Frauen sind nach wie vor die Hauptthemen unserer Arbeit. Trotz aller Erfolge, die es gibt, haben wir das Ziel einer gelebten Gleichberechtigung noch nicht erreicht. Gerade in der jetzigen Zeit mit vielen gesellschaftlichen Herausforderungen ist Gleichstellungsarbeit besonders wichtig, um neue Benachteiligungen von Frauen zu vermeiden, wie beispielsweise die Vielfachbelastung von Frauen während der Coronakrise“, sagt Kornelia Schäfer.
Die ausgebildete Industriekauffrau hat nach einem Lehramtsstudium noch ein Diplompädagogikstudium abgeschlossen. Vor ihrer Tätigkeit im Wetteraukreis arbeitete sie in der berufsorientierenden Beratung und als Projektleiterin in einem Modellprojekt zur Ausbildung junger Mütter in Teilzeit. Beim Wetteraukreis bearbeitete sie mit ihrem Team eine Vielzahl von Themen und Aufgaben: von der Frauenförderung in der Kreisverwaltung, der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, der Förderung von Gewaltschutz und -präventionsarbeit, der Mädchenarbeit bis hin zur Unterstützung von Migrantinnen und geflüchteten Frauen.
Im Interview lässt Kornelia Schäfer 20 Jahre ihrer vielfältigen Arbeit an wichtigen Themen Revue passieren.
Was hat Sie zu dieser Arbeit motiviert?
Kornelia Schäfer: Das Engagement für die Gleichberechtigung von Frauen und Männern in Beruf, Familie und Gesellschaft war der rote Faden in meinem Berufsleben. Das hat auch mit meiner Lebensgeschichte zu tun. Über den zweiten Bildungsweg habe ich das Abitur nachgeholt und im Anschluss studiert, als Erste in meiner Familie. Das hat mich geprägt und motiviert Mädchen und Frauen auf ihrem Weg in ein selbstbestimmtes Leben zu unterstützen und im Bereich berufliche Förderung von Mädchen und Frauen und später als Frauenbeauftragte zu arbeiten.
Die Frauengleichstellungsstelle, der spätere Fachdienst Frauen und Chancengleichheit, wurde 1985 nach der Kommunalwahl eingerichtet. Auf der Agenda der Forderungen standen die Gründung eines Frauenhauses, Führungsaufgaben sollten für Frauen erreichbarer werden und sexueller Missbrauch aufgedeckt werden. Die Benachteiligung von Frauen innerhalb und außerhalb der Verwaltung sollten abgebaut werden. 1985 ist lange her, vieles hat sich seitdem getan. Was hat sich in den letzten 20 Jahren Ihrer Tätigkeit als Frauenbeauftragte geändert?
Kornelia Schäfer: Als ich 2002 als Frauenbeauftragte beim Wetteraukreis begann, war z.B. Teilzeitarbeit von Frauen weitgehend akzeptiert, aber in höherwertigen Stellen oder gar in der Amtsleitung noch selten. Da konnte ich meine Erfahrungen mit Führung in Teilzeit und geteilter Leitung einbringen. Heute ist eine familienfreundliche Verwaltungskultur weitgehend etabliert und der Wetteraukreis wirbt damit um neue Fachkräfte. Wir haben 2022 das Ziel 50 Prozent Frauen in Führungspositionen in der Kreisverwaltung fast erreicht. Die berufliche Situation von Frauen hat sich insgesamt verbessert, aber leider tut sich noch zu wenig bei den Einkommen, wie 18 Prozent Gehaltsunterschied von Frauen und Männern zeigen.
Stichwort Häusliche und sexualisierte Gewalt. Was hat sich hier getan?
Kornelia Schäfer: Viel. Im Wetteraukreis gibt es inzwischen einen breiten politischen Konsens für eine verlässliche Finanzierung der Frauenvereine zum Schutz und Hilfe bei häuslicher und sexualisierter Gewalt. Aber auch die gesellschaftliche Aufklärung zu dem Thema war und ist enorm wichtig. Hier hat es in den letzten 20 Jahren ein gesellschaftliches Umdenken gegeben und häusliche Gewalt wird zum Beispiel nicht mehr zum Kavaliersdelikt erklärt. Wichtige Einrichtungen wie der FrauenNotruf, das Frauenhaus, Wildwasser sind etabliert und konnten sich weiter entwickeln. Dazu hat in den letzten zwei Jahren die Umsetzung der Istanbulkonvention richtig Schwung gebracht. Die Beratungsarbeit wurde aufgestockt, die Plätze im Frauenhaus wurden erhöht und wir konnten präventive Angebote gegen Gewalt ausbauen. Das geht aber nur gemeinsam in einem Netzwerk mit allen Akteuren.
Auf welche Erfolge blicken Sie zurück?
Kornelia Schäfer: In zwanzig Jahren kam schon einiges an erfolgreichen Projekten, Vorhaben und Kooperationen zusammen. Das ist alles gut und kurzweilig dokumentiert in unseren Jahresberichten. Ein erfolgreiches Projekt ist z.B. die Auszeichnung „Familienfreundliche Unternehmen Wetterau“, die 2023 in die sechste Runde geht. Mittlerweile sind es über 50 Unternehmen aus dem Wetteraukreis, die für ihre familienfreundliche Haltung und Angebote ausgezeichnet wurden. Sie sind damit Vorbild für andere Unternehmen. Ein Beispiel für eine erfolgreiche Vernetzung ist a-Net – das alleinerziehenden Netzwerk Wetterau, aus dem gemeinschaftlich eine sehr informative Internetseite und viele Veranstaltungen und Angebote für Alleinerziehende entstanden sind. Und Ende letzten Jahres konnten wir in Kooperation mit den Schwangerenberatungsstellen den Verhütungsmittelfond für Menschen mit geringem Einkommen einrichten. Das freut mich sehr, dass dies noch zu Ende meiner Berufszeit gelungen ist.
Was wurde noch nicht erreicht und wo sehen Sie Handlungsbedarf?
Kornelia Schäfer: Bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie und der ungleichen Verteilung der Sorgearbeit. Bei der ungleichen Entlohnung von Frauen und Männern, den immer noch zu geringen Einkommen in frauentypischen Berufen in der Erziehung und Pflege. Bei der Integration von geflüchteten Frauen und ihren Kindern. Die Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen und Kinder bleibt ein wichtiges Arbeitsfeld, es braucht mehr präventive Arbeit und veränderte Rollenbilder, damit Gewalt verhindert wird.
Ein Wort zum Schluss?
Kornelia Schäfer: Ich empfinde es als großes Privileg, dass ich an Themen und Zielen arbeiten konnte, von denen ich überzeugt bin und die ich wichtig finde und dass ich dafür Gestaltungsspielraum hatte. Ich habe sehr gerne als Frauenbeauftragte gearbeitet, jedoch auch jede Menge Arbeit und die Mühen der Ebene sind nicht zu unterschätzen. Aber jetzt freue ich mich auf die frei verfügbare Zeit und dass ich die Verantwortung loslassen kann, um die Arbeit meiner kompetenten Nachfolgerin Claudia Taphorn zu übergeben.