Frauen, Leben, Freiheit - Rede von Bahareh Hübschmann vor dem Wetterauer Kreistag

Eine Frau mit schwarzen Haaren und schwarzem Oberteil spricht vor einem Rednerpult

Bild: Lena Herget Umsonst

Frauen. Leben. Freiheit

Anlässlich des Internationalen Frauentags hielt Bahareh Hübschmann eine Rede vor dem Wetterauer Kreistag, in der sie zu Solidarität mit den Frauen im Iran aufrief und daran erinnerte, dass Frauenrechte Menschenrechte sind, für die wir uns alle einsetzen müssen.  

Sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrte Damen und Herren,

Es ist mir eine große Freude, heute anlässlich des internationalen Frauentags hier vor Ihnen zu sprechen. Wir feiern diesen Tag, um die Errungenschaften von Frauen weltweit zu würdigen und gleichzeitig auf die anhaltenden Probleme hinzuweisen, mit denen Frauen konfrontiert sind.

Der Weltfrauentag ist ein Tag, an dem wir uns bewusst machen sollten, wie wichtig die Gleichstellung der Geschlechter für die Entwicklung und den Fortschritt einer Gesellschaft ist. Wir sollten uns jedoch auch daran erinnern, dass Frauen auf der ganzen Welt immer noch Diskriminierung und Benachteiligung erfahren, sie aufgrund ihres Geschlechts Gefahren ausgesetzt sind.

Ein Land, das in diesem Zusammenhang immer wieder in den Fokus rückt, ist das Land in dem ich geboren wurde: Der Iran. Die Etablierung der Islamischen Republik Iran im Jahr 1979 annullierte radikal sämtliche Errungenschaften der iranischen Frauenbewegung und degradierte Frauen und Mädchen zu Bürgerinnen zweiter Klasse. Der Staat verabschiedete zahlreiche Dekrete, die sämtliche Aspekte der Lebensrealität von Frauen unmittelbar betrafen und die bis heute das Leben im Iran prägen.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich möchte Ihnen skizzieren, wie diese Lebensrealität konkret aussieht.

- Frauen benötigen dort für Arbeit, Reisen und Scheidung das Einverständnis ihrer Ehemänner, der Väter oder Brüder.

- Frauen haben im Fall einer Trennung faktisch keinen Anspruch auf das Sorgerecht für ihre Kinder.

- Das Mindestalter für Ehen und die volle Strafmündigkeit für Mädchen liegt bei neun Jahren.

- Abtreibungen sind verboten.

- Geschlechtertrennungen sind in sämtlichen Bereichen des öffentlichen Lebens, wie z.B. Bussen und Bahnen, Schulen und Universitäten, aber auch im Gesundheitswesen eingeführt worden.

- Darbietungen von Sängerinnen in Funk, Medien und auf Datenträgern sind verboten.

- Es gelten strenge Kleidervorschriften, die u.a. die Zwangsverschleierung von Frauen umfassen. Vor über 35 Jahren musste ich mit meinen Eltern aus genau diesem Land fliehen. Als Strafe für das Händchenhalten beim Spaziergang im Park, wurden meine jungen Eltern von der sogenannten Sittenpolizei ausgepeitscht. Da meine Mutter ihre berechtigte Wut und den Ärger über die islamische Regierung öffentlich kundtat, war ihr Leben in Gefahr.

Meine Eltern haben alles zurückgelassen. Sie sind mit 2 kleinen Kindern in ein fremdes Land geflohen, ohne zu wissen, was sie dort erwarten würde.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich bin für Vieles dankbar.

- Ich bin sehr dankbar, dass wir in Deutschland eine neue Heimat gefunden haben. Dieses Land hat uns Zuflucht geboten. Ich lernte die Sprache, bin hier zur Schule gegangen, habe studiert und habe eine eigene Familie gegründet.

- Ich bin dankbar für die Freiheit, die ich hier genieße.

- Ich bin dankbar für die Vielfalt an Möglichkeiten und für die Menschen, die mich hier umgeben.

- Ich bin dankbar für die Demokratie und die Rechtstaatlichkeit, die in Deutschland herrschen.

- Ich bin auch dankbar dafür, dass ich mich aktiv dafür einsetzen kann, dass unsere Errungenschaften nicht von Rechtspopulisten untergraben und Frauen in traditionelle Rollenklischees geschoben werden. Aber ich weiß, dass Freiheit und Sicherheit nicht selbstverständlich sind.

Ich denke an all jene, die Opfer von Krieg, Gewalt und Unterdrückung sind. Ich denke an die Menschen, insbesondere an die mutigen Frauen und Mädchen, die im Iran auf die Straßen gehen und das Ende der Islamischen Republik fordern.

Die jüngsten, feigen Giftgasanschläge an über 200 iranischen Mädchenschulen und Universitäten zeigen deutlich, dass die iranische Regierung große Angst vor der aktuellen Revolutionsbewegung hat. Denn die Frauen fordern nach wie vor ihr Recht auf Selbstbestimmung ein. Die aktuellen Proteste führten bislang zu über 20.000 politisch begründeten Inhaftierungen, etliche haben im Kampf für Freiheit ihr Leben lassen müssen, Todesurteile wurden gesprochen, Hinrichtungen folgten. Trotzdem hält es die Menschen nicht davon ab, weiterhin zivilen Ungehorsam zu leisten und gegen die strengen Kleidervorschriften zu verstoßen und auch weiterhin auf die Straßen zu gehen und zu protestieren. Sie fordern die Aufhebung der Diskriminierung in allen Bereichen, sie fordern Freiheit, sie fordern die Gleichbehandlung aller Geschlechter, sie fordern eine Demokratie.

Es ist wichtig zu betonen, dass die Frauen im Iran nicht allein sind. Die internationale Gemeinschaft muss sich solidarisch mit den Protestierenden im Iran zeigen und sich für ihre Rechte einsetzen. Wir sollten diese Menschen unterstützen und ermutigen, weiterhin für ihre Sache zu kämpfen.

Gleichzeitig sehen wir, dass der Kampf für Gleichstellung in Deutschland auch noch nicht zu Ende ist. Frauen werden oft aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert. Sei es bei der Einstellung, Beförderung oder bei der Entlohnung.

Frauen sind häufiger als Männer von Gewalt betroffen. Sei es physische, sexuelle oder emotionale Gewalt. Frauen sind häufiger von Armut im Alter betroffen, da sie oft schlechter bezahlte Berufe haben und wegen Teilzeitanstellungen und Familienpflichten weniger Rentenansprüche erwerben.

Der Internationale Frauentag bietet Gelegenheit, um auf die Rechte von Frauen aufmerksam zu machen. Wir sollten uns daran erinnern, dass Frauenrechte Menschenrechte sind und wir uns alle dafür einsetzen müssen, dass Frauen auf der ganzen Welt die gleichen Chancen und Möglichkeiten wie Männer haben.

Sehr geehrte Damen und Herren, Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und möchte Sie ermutigen, sich für eine offene und solidarische Gesellschaft einzusetzen. Eine Gesellschaft, in der jeder Mensch frei ist, unabhängig von seiner Herkunft, seiner Religion, oder seines Geschlechts.

Beenden möchte ich meinen Redebeitrag mit der iranischen Revolutionsparole:

„ZAN. ZENDEGI. AZADI.“  „FRAU. LEBEN. FREIHEIT.“

Vielen Dank!

Veröffentlicht am: 10. März 2023