Fünf geflüchtete Frauen sprachen am Freitag, den 29. September 2023 über ihre Fluchterfahrungen im gut besuchten Plenarsaal des Kreishauses in Friedberg Sie erzählten von ihren ganz persönlichen Fluchtgründen, traumatischen Erlebnissen auf der Flucht und der schweren Anfangszeit in einem völlig fremden Land.  Ein Fachvortrag von Mona Akrami von berami e.V. rundete den Abend ab. Sie betonte frauenspezifische Fluchtgründe, wie Gewalt und die Vorenthaltung von grundlegen Rechten. Bei Angeboten für geflüchtete Frauen in Deutschland müssten ihre Bedürfnisse stärker beachtet werden. Viele haben beispielsweise kleine Kinder und unterschätzten ihre Deutschkenntnisse und damit ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Veranstaltet wurde der Abend vom Fachdienst Frauen und Chancengleichheit des Wetteraukreises, dem Frauenzentrum Wetterau e.V., der , dem Internationalen Zentrum Friedberg e.V., der Initiative Bunte Frauen Wetterau, dem Ausländerbeirat Butzbach, dem Ausländerbeirat Bad Vilbel und von Rumi Kultur e.V. aus Bad Nauheim.

Mit der Veranstaltung wollten die Organisatorinnen auf frauenspezifische Aspekte von Flucht aufmerksam machen, denn Informationen und Daten hierzu fehlen weitestgehend. Dorthe Michel vom Frauenzentrum Wetterau berichtete in einem Impulsvortrag zu Beginn: „Die Situationen, Wege und Lagen geflüchteter Menschen - insbesondere von Frauen - werden weder in wissenschaftlichen Arbeiten noch in der Tagespresse angemessen transportiert.

Eine 40-jährige Frau aus der Türkei berichtete, wie sie von einem Tag auf den anderen in ihrer Heimat als Terroristin verunglimpft und schikaniert wurde. „Wir hatten doch keine Waffen zu Hause! Nur Bücher, “ betonte die Lehrerin und Mutter. Sie berichtete von dem Weg über das Meer, im Schlauchboot mit 35 anderen Menschen. Sie erzählte, wie ruhig die Kinder auf dem Boot waren, weil sie mit Schlafmitteln ruhig gestellt wurden und wie sie mit ansehen mussten, wie eine Frau sich auf dem Boot durch einen Sturm die Rückenwirbel brach. Die Erlebnisse ließen sie lange nicht los. Insbesondere der Anblick von Uniformierten versetzte sie auch nach der Ankunft in Deutschland in Panik und Stress. Erst durch professionelle Hilfe konnte sie ihr Trauma verarbeiten. Sie erzählte auch, wie schwer es war, mit allem neu zu beginnen, jedoch auch von ihrem Mut, den Neustart zu wagen und von ihren bisherigen Erfolgen in Deutschland.

Vier Frauen aus Syrien sprachen von den großen Zerstörungen in ihrer Heimat durch den Krieg. Es fehlte an Wasser, an Lebensmitteln, an medizinischer Versorgung, an allem.  Auch für sie führte der Fluchtweg übers Wasser, häufig in einem Schlauchboot „Ich hatte große Angst,  dass wir alle sterben würden und auch meine Kinder vor meinen Augen sterben würden,“ sagte die Mutter von zwei Kindern über die Tage, die sie auf einem Boot im Mittelmeer verbrachten. Die Erinnerungen lassen sie und ihre Kinder noch immer nicht los. Ihr Sohn weiß noch heute, dass die Menschen, die aus dem Boot gefallen sind, im Wasser verschwanden und nie zurückgekommen sind.

Eine weitere junge Frau aus Syrien berichtete über ihre Fluchtversuche. Der erste Versuch endete nach 13 Tagen mit einer Verhaftung. Ein weiterer Versuch führte sie mit ihren Kindern nachts zu Fuß durch einen Fluss, durch Dreck und Schlamm in einen komplett dunklen Tunnel. Das Ende war versperrt und sie musste den Weg wieder zurückgehen. Im Hintergrund waren ständig bellende Hunde der Patrouillen zu hören - Sie und ihre kleinen Kinder mussten leise sein. Erst später, als sie auf das Erlebte zurückblickte, sagte sie „ich habe gemerkt, ich bin sehr stark“.

Rückblickend zogen sie gemeinsam ein berührendes Fazit: Sie sind sehr stolz auf sich, nie hätten sie sich das Erlebte vorab zugetraut - sie sind über sich hinausgewachsen und sie haben es geschaftt, in nur wenigen Jahren ein neues Leben für sich und ihre Familien aufzubauen. Untermauert wurde das Fazit von drei der Organisatorinnen, die geflüchtete Frauen ehrenamtlich unterstützen. „Frauen, die sich für die Flucht entscheiden, sind für Veränderung,“ betonte Mahnaz Jafary von der "Initiative bunte Frauen Wetterau". Sie spielen eine wichtige Rolle bei der Integration im Ankunftsland, was in der Gesellschaft nicht gesehen wird. Neben Arbeit und Spracherwerb unterstützen sie ihre Kinder für eine bessere Zukunft und motivieren ihre Männer, gemeinsam das neue System zu verstehen und Fuß zu fassen. „Frauen tun nicht "nichts", sie tun eine ganze Menge, um sich und ihre Familie zu integrieren“, so Jafary.

Die Veranstaltung wurde von Isil Yönter mit großem Einfühlungsvermögen moderiert und von Zeynep Basaran mit Gitarre und Gesang begleitet.