Referate zum 1. Fachtag

Sehr geehrter Herr Landrat, Herr Betschel- Pflügel, Herr Syguda,
sehr geehrte Damen und Herren,

ich denke, niemand von Ihnen wird in frage stellen, dass das Gesundheitsamt und hier natürlich speziell die Fachstelle Kinder- u. Jugendgesundheit ein wichtiger Bestandteil des Systems Frühe Hilfen sein sollte.

Der kinderzahnärztlicher Dienst, genauer der AKJ (Arbeitskreis für Kinder- u. Jugend­zahnpflege), der in unserer Fachstelle verankert ist, arbeitet bereits seit 2009 im Netzwerk U3 erfolgreich ...

Frau Dunkel-Meyer und Frau Jüdell sind heute auch hier am Markt der Möglichkeiten beteiligt und informieren sie gerne über ihre Tätigkeit...

Unsere Hauptklientel sind zwar die 51/2 bis 61/2-jährigen Kinder im Einschulungsalter, aber natürlich sehen wir auch alle anderen Altersgruppen.

0 bis 3- jährige in erster Linie in Zusammenarbeit mit der Frühförderstelle zur Begutachtung und Erstellung von Förder- und Hilfeplänen.

Im Interdisziplinären Forum treffen wir uns regelmäßig mit Therapeuten und Frühförderinnen bei Videoanalysen zum fachlichen Austausch.

Im Rahmen von U3- Integrationen im Kindergarten werden wir bei der Untersuchung der

Kinder auch mit vielfältigen Problemen in den Familien konfrontiert.

Eltern erwarten von uns, dass wir Ihnen bei Fragen und Schwierigkeiten weiter helfen

können.

Das gelingt leider nicht immer so, wie wir uns das wünschen.

So verbinden wir mit unserer heutigen Veranstaltung auch die Hoffnung, in Zukunft kompetenter und erfolgreicher beraten zu können.

Wichtigste Bezugspersonen für junge Familien sind aber nach wie vor die niedergelassenen Kinder- und Jugendärzte.

Seit 1971 Vorsorgeuntersuchungen als eine Pflichtleistung der Krankenkassen festgeschrieben wurden, sehen die Kollegen Eltern und Kinder in regelmäßigen Abständen.

Am 01.Januar 2008 wurden, wie Sie alle wissen, diese Vorsorgeuntersuchungen u. a. auch in Hessen verpflichtend

Im Idealfall wäre also in den ersten 3 Lebensjahren ein mindestens 8-maliger Kontakt

möglich - mit Geschwistern noch häufiger!

Auch wenn der Idealfall eher selten vorkommt, eröffnen sich doch große Chancen für ein

enges Vertrauensverhältnis.

Das heißt aber eben auch - gewusst, wer? und wo?

Welche Institution kann wo und wie helfen, wenn Familien um Hilfe bitten.

So wird deutlich, wie wichtig auch für die niedergelassenen Kollegen eine Vernetzung im System „Frühe Hilfen“ ist.

Ich selbst war im Vorfeld dieser Veranstaltung sehr überrascht, wie viele Institutionen rund um Schwangerschaft, Geburt und die ersten Lebensjahre bereits im Wetteraukreis bestehen, die nicht nur mir, sondern auch meinen Mitarbeiterinnen, nicht bekannt waren.

 

Umso mehr erscheint unser heutiges Treffen wichtig und nützlich: Ins Gespräch Kommen, verlässliche, verbindliche Strukturen schaffen, das vorhandene Potential nutzen, um unsere Klientel in ihrer Kompetenz zu stärken.

Das scheint mir eine wichtige Aufgabe für die Zukunft zu sein.

Und dennoch: Vergessen wir bei allem Engagement bitte auch nicht, dass der überwiegende Teil unserer Kinder in der schönen Wetterau ohne große Probleme in Familien aufwächst, die unsere Hilfen nicht benötigen.

Im Nachdenken über den Vortrag bin ich noch einmal zurückgegangen an die Anfänge meiner beruflichen Entwicklung und war erst einmal entsetzt darüber, dass er bereits fast 40 Jahre zurück liegt...

Am Beginn meiner Facharztausbildung zur Kinderärztin habe ich eben in diesem

präventiven Bereich gearbeitet.

Viele der vor uns liegenden Aufgaben, waren damals schon in Angriff genommen.

Ich bin häufig über die Dörfer gefahren, habe Hausbesuche und Mütterberatungen durchgeführt.

Nach anfänglichen Vorbehalten - ich wirkte noch sehr jugendlich, so gar nicht wie eine „Frau Doktor“ - wurde ich recht schnell zu einer wichtigen Ansprechperson für die kleinen und großen Probleme in den Familien.

Und am Ende war dann auch noch das Abendessen gesichert, keine Chance Eier, Wurst und Schinken abzulehnen... GUTE ALTE ZEIT!

Selbst zum ersten Mal Mutter, musste ich dann erleben, wie einer meiner Oberärzte nach Inspektion meiner Tochter stolz verkündete, dass sie motorisch retardiert sei und dringend einer Physiotherapie bedürfe! Uff!

Spätestens seitdem weiß ich, wie wichtig es ist, als so genannter Fachmensch, den richtigen Ton Eltern und Kindern gegenüber zu treffen und die so entscheidende Empathie aufzubringen.

Und in diesem Zusammenhang ist mir wieder einmal mehr klargeworden, welch enormer Wissenszuwachs gerade auch im Bereich der frühkindlichen Entwicklung besteht.

Quasi von „tabula rasa“ zum „kompetenten Säugling“!

Vieles von dem, was damals unumstößlicher wissenschaftlicher Konsens war, ist heute längst widerlegt und über Bord geworfen...

So müssen Kinder nicht alle Entwicklungsschritte in genau vorgegebener Reihenfolge absolvieren, - sie dürfen sogar welche auslassen - und meine Tochter war nicht motorisch retardiert, sondern halt nur sehr individuell! ☺

Das zeigt aber auch, dass wir als sog. Fachleute, dies nicht einfach per se sind, sondern dass wir unser Wissen immer wieder auf den neuesten Stand bringen, und uns freimütig von alten Zöpfen trennen müssen.

 

In der Generation meiner Eltern war klar, wie sich Kinder zu verhalten haben, was man tut und was nicht. Man konnte Jeden fragen, alle sagten das Gleiche, ob Familie, Nachbar oder der Herr Pastor.

Meine Generation dachte, wenn wir nur alles umkehren, was unsere Eltern gemacht haben, muss das richtig sein. Aber das stellte sich auch als Irrtum heraus, so einfach war es dann doch nicht...

Die heutige Elterngeneration hat es tatsächlich sehr viel schwerer. Es gibt keine einheitlichen Vorgaben mehr. Jede Familie muss ihren Weg selbst finden: was will ich? welche Werte sind mir wichtig?

Das schier unendliche Angebot an sog. „Ratgebern“ von selbst ernannten Experten ist da eher verwirrend und hinderlich.

Heute sprechen wir immer wieder davon und empfehlen, den Kindern Grenzen zu setzen. Denken wir bitte daran, dass Kinder auch Grenzen haben und wir diese respektieren sollten...

Was Kinder brauchen sind Eltern, die sich abgrenzen können...

Welche Wertebegriffe führen dazu, damit Mitglieder einer Familie sich in dieser wohlfühlen?

- Authentizität

- Eigenverantwortung

- Integrität

- Gleichwürdigkeit        --- um mit Jesper Juul zu sprechen
Und noch einmal Jesper Juul:

„Eltern müssen wie Leuchttürme sein, sie müssen ihren Kindern, die auf offener See unterwegs sind, deutliche Signale geben. Um das zu können, müssen sie wissen, was sie wollen und was nicht „

Helfen wir ihnen dabei, wenn sie unserer Hilfe bedürfen.

In diesem Sinne wünsche ich uns allen einen grenzenlosen, erfolgreichen und schönen Arbeitstag ☺

Ich wurde gerade durch Frau Mertzlin vorgestellt, mein Name ist Kolja Riemenschneider, ich leite die Fachstelle des ASD Ost.

Ich selber bin in der Rolle Elternteil zu sein und war und bin immer wieder in der Situation Unterstützung und Hilfen anderer zu benötigen, um mich in meiner Rolle und deren Ausführung wohl zu fühlen. Ich persönlich bin glücklicherweise in der Situation, dass meine Lebenswelt dieses Unterstützungssystem hergibt, mir ist jedoch sehr bewusst, dass meine Situation nicht allgemeingültig für insbesondere junge Familie steht und das diese Unterstützung entscheidend ist, um die Rolle Eltern zu sein gut und sicher ausfüllen zu können.

Insbesondere vor diesem Hintergrund freue ich mich daher sehr, dass wir am heutigen Tage aus all’ diesen unterschiedlichen Professionen zum Austausch zusammen kommen und sie sich die Zeit genommen haben, aktiv ihre Ideen zum Themenbereich Frühe Hilfen einzubringen.

Wir haben uns heute hier getroffen unter dem Motto Früher Hilfen. Warum ist es tatsächlich wichtig, sich über, insbesondere frühe Hilfen erneut zu unterhalten, was hebt diese Hilfen von anderen, bisher bereits existenten Hilfen ab? Dieser Fragestellung möchte ich mich gerne einen Moment widmen.

Letztlich handelt es sich um einen Problembereich, der meinen beruflichen Herkunftsbereich, das klassische Jugendamt bereits umfangreiche Zeit beschäftigt hat, für welchen jedoch bislang keine tatsächlich befriedigende Lösung parat stand.

Spätestens seit dem Fall Kevin in Bremen aus dem Jahr 2006 und dann in der Folge weiterer, ähnlich gelagerter Fälle im Bundesgebiet wurde klar, dass sich am Unterstützungszugang für Eltern und ihre Kinder etwas verändern muss.

Auch wesentlich wohnortsnäher, wie etwa bei der minderjährigen Mutter aus Nidda, die ihr Neugeborenes tötete, konnten wir erkennen, dass hier der Zugang zu Unterstützungsleistungen neu gedacht werden muss.

Diese Schicksale erbrachten zudem, wahrscheinlich als einzig Positives, die gesellschaftliche Aufmerksamkeit, die es nunmehr ermöglicht hat, dass gesetzlich der Auftrag zur Bildung von Netzwerken zu frühen Hilfen erfolgte und wir schließlich am heutigen Tage hier zusammen sitzen.

Eine Veränderung des Zuganges zu Hilfen ist insbesondere für Familien notwendig, die junge Kinder im Alter bis etwa drei Jahren haben und damit altersentsprechend noch kaum mit gängigen Systemen, wie Kindertagesstätten, Horten oder Schulen in Kontakt stehen.

Zunächst zur Klarstellung: Wir, das Jugendamt haben den klar benannten Auftrag Kinderschutz sicherzustellen. Wir bieten hier unterschiedlichste Angebote: von der Beratung und Vermittlung zu anderen Unterstützungssystemen, bis hin eben zu Hilfen zur Erziehung.

Dieser Aufgabe stellen wir uns jeden Tag, wir müssen jedoch immer wieder wahrnehmen, dass viele Familien, die Unterstützung benötigen, gar nicht oder erst zu spät mit uns in Kontakt kommen. Dies ist umso tragischer, da im Vorfeld bereits wesentlich niederschwelliger und aber auch mit weniger Eingriff oftmals viel höhere Erfolge hätten erzielt werden können.

Wir müssen in unserer alltäglichen Arbeit wahrnehmen, dass das Jugendamt als restriktiv und übergriffig beschrieben werden und insgesamt massiven Vorbehalten unterworfen sind.

Laut dem Gesetz, nach welchem wir hauptsächlich tätig sind, dem SGB VIII, ist übergeordnete Aufgabe des Jugendamtes jedoch von Anfang an, die Potentiale und Kompetenzen von Eltern, aber auch die ihrer Kinder zu stärken und ganz sicher ist es nicht die Aufgabe, des Eingriffes in das den Eltern zuvörderst obliegende Recht der Erziehung.

 

Dennoch wissen wir und dieses konnten entsprechende Konzepte auch zeigen, dass eine erfolgreiche Arbeit mit und für junge Familien auf Vertrauen gebaut werden muss und das hier etwaige Kontrollmechanismen, die eventuell als Generalverdacht erlebt werden, hierfür nicht zielführend sein können.

Wir wissen, dass es im Wetteraukreis in Ihren Institutionen, die es bereits sehr vielfältig im Wetteraukreis gibt, viele dieser uns fehlenden Zugänge von Familien zum Jugendamt zu finden sind. Sie unterstützen Familien bereits niederschwellig und selbstständig in ihrem Alltag der Erziehungsaufgabe.

Wir wissen, dass vielerorts bereits viel an Beratung und Problemen in wichtigen Einrichtungen, wie beim Mutter-Kind-Turnen, im Familienzentrum oder beim Kinderarzt aufgefangen werden kann. Hierüber sind wir sehr froh.

Wir benötigen ihre Unterstützung und möchten darum werben, da Sie die Familien in ihrem normalen Alltag erleben, zu welchem wir im Regelfall keinen Zugang besitzen.

Wir wünschen uns, dass Sie uns frühzeitig dort mit einzubeziehen, wo Hilfe dringend benötigt wird.

Der tatsächliche Hilfebedarf von jungen Familien kann nicht auf der Grundlage der einzelnen Angebote unterschiedlicher Leistungserbringer definiert werden, sondern kann nur anhand der individuellen Lebenswirklichkeit entwickelt werden. Genau vor diesem Hintergrund sind wir zur Gewährleistung unseres gesetzlichen Auftrages, des Schutzes von Kindern, darauf angewiesen zu erfahren, dass tatsächlich etwas nicht gut läuft, obwohl wir im Einzelfall möglicherweise bisher selbst noch nicht gehört haben, dass in einer Familie Unterstützung nötig ist. Um dieses Wortspiel fortzuführen, brauchen wir Sie als Augen, die bereits Problemlöser im Alltag darstellen können, aber eben auch Familien weiteren Systemen zur Unterstützung zuführen können.

Hier wünschen wir uns, dass wir gemeinsam es als gesamtgesellschaftlichen Auftrag verstehen, dafür Sorge zu tragen, dass Kinder gut und sicher im Wetteraukreis aufwachsen können. Hierzu sind eben insbesondere die „Frühen Jahre“ entscheidend und es sind Weichen für die Perspektive zu stellen, so dass wir sie und ihre Institutionen benötigen, um unseren gesetzlichen Auftrag erfüllen zu können und Familien den benötigten Zugang zu Unterstützung zu ermöglichen.

Ich bin somit sehr froh darüber, dass wir heute innerhalb des Wetteraukreises den Anfang machen können, miteinander ins Gespräch zu kommen und unsere gegenseitigen Angebote miteinander auszutauschen und vielleicht zusammen zu verbinden, um dieser Aufgabe gerecht zu werden zu können.

In diesem Sinne wünsche ich der Veranstaltung einen guten und erfolgreichen Verlauf.