2. Wetterauer Flüchtlingskonferenz
Landauf, landab beschäftigt die Unterbringung einer hohen Zahl von Flüchtlingen aus der Ukraine und den weltweiten Krisengebiete die kommunale Ebene. Aus diesem Grund lud der Wetteraukreis jüngst zu seiner zweiten Flüchtlingskonferenz ins Kreishaus ein. Vor Ort tauschten sich Vertreterinnen und Vertreter des Kreises und der Kommunen, aber auch des Ehrenamts, der Polizei und des Jobcenters aus. Das Treffen diente dem Dialog, dem Informationsaustausch und der Transparenz, wie Landrat Jan Weckler betonte.
Auch für 2023 rechnen die Europäische Asylbehörde und das Bundesamt für Migration mit einem noch steigenden Migrationsdruck, erläuterte Landrat Weckler. Dabei berge die aktuelle Flüchtlingskrise schon jetzt große Herausforderungen und Fragestellungen für die ganze Gesellschaft: „Wir sind gesetzlich verpflichtet, die uns von Bund und Land zugewiesenen Menschen aufzunehmen und unterzubringen – gleichzeitig müssen wir Unsicherheiten und Ängste der Bürgerinnen und Bürger ernst nehmen und thematisieren. Denn wir erleben nicht nur eine Unterkunftskrise, sondern vor allem auch eine Akzeptanzkrise. Die Herausforderungen sind damit schon ohne die Frage der Integration immens.“
Erste Kreisbeigeordnete und Sozialdezernentin Stephanie Becker-Bösch gab einen Überblick über die Herausforderungen, die der Wetteraukreis stemmen müsse: „Das Ende unserer Kapazitäten ist erreicht, und dennoch bewerkstelligen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter es immer wieder aufs Neue, Lösungen und vor allem Unterkünfte zu finden.“ Larissa Mourek vom Fachdienst Migration vertiefte den Einblick in die kreisinternen Abläufe und auch die Schwierigkeiten: Sie präsentierte aktuelle Zahlen und zeigte auf, dass die Platzkapazitäten so gut wie erschöpft sind – und appellierte noch einmal, dem Kreis Grundstücke und Immobilien zu melden.
Austausch auf Augenhöhe
Anneliese Eckhardt und Johannes Hartmann von der Wetterauer AG Flüchtlingshilfe berichteten zur Situation aus der Sicht des Ehrenamts: Sie wiesen darauf hin wie wichtig der Einsatz von Ehrenamtlichen zur Bewerkstelligung der Anforderungen zur Integration von Geflüchteten ist. „Ein Austausch auf Augenhöhe mit allen Beteiligten wie Hauptamt, Ehrenamt und Geflüchteten ist dabei das Wichtigste“, betonten sie.
Über berufliche Möglichkeiten und Perspektiven für geflüchtete Menschen sowie Integrationsansätze sprach Lennart Simon, Teamleitung Markt und Integration vom Jobcenter Wetterau. Weitere Berichte und Einblicke gaben zudem Erster Polizeihauptkommissar Christof Stark (Leiter der Polizeistation Friedberg) und Heidi Nitschke (Geschäftsführung RDW, Träger der sozialarbeiterischen Betreuung der Flüchtlinge im Wetteraukreis). Den Abschluss machte Susanne Förster, Flüchtlingskoordinatorin der Stadt Bad Vilbel. Sie gab einen ehrlichen Einblick in ihre Arbeit, nämlich die Begleitung und Unterbringung von Geflüchteten auf kommunaler Ebene. Die Herausforderungen seien fast nicht mehr zu meistern, der Druck sei erheblich und steige weiter. Sie beschrieb ihren Auftrag mit dem Sinnbild der Weißen Flagge: „Sie steht für Kapitulation, weil das Ende der Kapazitäten erreicht ist, aber auch für Frieden – denn Frieden ist das, was man den geflüchteten Menschen bieten möchte.“
Rund 4900 Geflüchtete im vergangenen Jahr
Im vergangenen Jahr wurden dem Wetteraukreis rund 4900 Flüchtlinge zugewiesen. Im Vergleich zur sogenannten „Flüchtlingskrise“ im Jahr 2015 ist das fast eine Verdopplung: Damals wurden insgesamt 2506 Personen aufgenommen. Im Vergleich zu 2021 haben sich die Zuweisungszahlen sogar verachtfacht.
Allein 2022 hat der Wetteraukreis rund 900 zusätzliche Plätze für Geflüchtete geschaffen, weitere kommen im ersten und zweiten Quartal 2023 hinzu. Weder auf dem Wohnungsmarkt noch in kreiseigenen Liegenschaften gibt es derzeit weitere Möglichkeiten, die auch kurzfristig zur Verfügung stehen. Vor diesem Hintergrund hat der Kreisausschuss bereits Mitte Oktober auch formal festgestellt, dass sich der Kreis in einer „Notsituation“ befindet.