Hebammen in Hessen – Gestern und Heute: Ausstellung eröffnet
Er ist einer der ältesten Frauenberufe, hat sich vor allem seit den 1960er-Jahren radikal verändert und ist heute für viele von ihnen zu einer Frage der Existenz geworden: Hebamme. Die Geschichte der Hebammen im Wandel der Zeiten, der Blick auf Hebammen in Hessen und die Frage, ob dies auch ein Beruf für Männer ist, zeigt eine Ausstellung, die bis Mitte Januar im Friedberger Kreishaus zu sehen ist. Landrat Jan Weckler hat sie zusammen mit Dr. Monika Hölscher, Referatsleiterin an der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung, eröffnet.
Hebammen und schwangere Frauen haben es nicht einfach: Während es für Frauen immer schwieriger wird, eine Hebamme zu finden, die sie von der Schwangerschaft bis nach der Geburt betreut, scheuen inzwischen viele freiberufliche Hebammen die Begleitung während der Geburt, weil sie die hohen Beiträge zur Haftpflichtversicherung kaum noch bezahlen können. Gleichzeitig werden immer mehr Geburtsstationen in Krankenhäusern aus Kostengründen geschlossen, in manchen hessischen Landkreisen gibt es keine Geburtsstation mehr. Vor allem auf dem Land ist es für schwangere Frauen schwierig, ein wohnortnahes Krankenhaus zu finden. „Diese Diskrepanz aufzuzeigen und die Geschichte eines der ältesten Frauenberufe zu erzählen, ist Aufgabe der Ausstellung“, sagt Dr. Monika Hölscher, Referatsleiterin bei der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung.
„Die Ausstellung zeigt die Entwicklung des Hebammen-Berufs mit seiner Geschichte bis zu den Herausforderungen der Gegenwart. Wir wollen mit der Ausstellung dem unverzichtbaren und wertvollen Beitrag, den Hebammen von der Schwangerschaft bis nach der Geburt leisten, einen breiten Raum geben“, sagt Landrat Jan Weckler.
Die Ausstellung nimmt die Besucher mit auf eine Zeitreise, die in der Antike beginnt, das Thema Geburt im Judentum darstellt, berühmte Hebammen in der Geschichte vorstellt, auf die Land- und Dorfhebammen im Altkreis Alsfeld/Vogelsberg und den Einfluss der Ärzteschaft eingeht. Im 19. Jahrhundert geriet der Beruf der Hebamme in immer stärkere Abhängigkeit von der Ärzteschaft, trotzdem war das ganze 19. Jahrhundert die Hausgeburt die Regel. Dies hat sich vor allem seit den 1960er-Jahren grundlegend verändert, heute ist die Entbindung in der Klinik die Regel.
Von 1751 bis 2012, von der ersten deutschen Hebammenschule an der Berliner Charité bis zum dualen Bachelorstudiengang Hebammenkunde an der Fachhochschule Fulda war es ein weiter Weg. Als erster Gesundheitsberuf ist die Hebammenkunde 2020 vollständig akademisiert worden.
Auch die Zeit des Nationalsozialismus, die Themen Eugenik und Zwangsarbeit, werden aufgegriffen. Das Gesetz zum Schutz der Erbgesundheit verpflichtete seit 1939 Ärzte und Hebammen, Kinder, die mit bestimmten genetischen Defekten und Geburtsfehlern zur Welt kamen, den Gesundheitsämtern zu melden. Für die Meldung gab es eine staatliche Prämie von 2 Reichsmark. Kinder von Zwangsarbeiterinnen wurden nach der Geburt entweder in einem Heim als deutsches Kind erzogen – wenn der Vater ein Deutscher war – oder, im anderen Fall, in eine „Ausländerkinder-Pflegestätte“ gebracht, um sie dort an Unterernährung und mangelnder Pflege sterben zu lassen.
Die Ausstellung entstand auf Initiative der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung, in Zusammenarbeit mit der Hochschule Fulda, dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. LV Hessen, der Kommunalen Frauenbeauftragten der Landeshauptstadt Wiesbaden und Prof. Dr. Marita Metz-Becker, Philipps-Universität Marburg.
Übrigens: Laut Hebammengesetz kann eine Hebamme eine normal verlaufende Geburt allein leiten, so der Deutsche Hebammenverband: „Ein Arzt oder eine Ärztin darf eine Frau nur in Notfällen ohne eine Hebamme entbinden. Diese Hinzuziehungspflicht – also dass eine Hebamme bei einer Geburt anwesend sein muss – gibt es nur in Deutschland. Sie gilt übrigens auch bei einem Kaiserschnitt.“
Zur Ausstellung gibt es einen kostenlosen Katalog, der die Themen aufgreift und inhaltlich vertieft.
Die Ausstellung ist bis 19. Januar im Friedberger Kreishaus, Gebäude B, Europaplatz, zu sehen. Sie beginnt im Foyer und wird im Flur hinter dem Foyer weitergeführt: Montag bis Donnerstag, 7.30 bis 16 Uhr, Freitag 7.30 bis 12.30 Uhr.