Landrat Weckler: „Grenze des Machbaren ist überschritten“
Aufgrund anhaltend hoher Zuweisungszahlen sind die Unterbringungskapazitäten des Wetteraukreises für Geflüchtete so gut wie erschöpft. Deshalb muss der Kreis ab Juli vom Landesaufnahmegesetz Gebrauch machen und alle Geflüchtete direkt zur Unterbringung an die Wetterauer Städte und Gemeinden übergeben. „Wir haben trotz großer Anstrengungen die Grenze des Machbaren überschritten und können die hohen Zuweisungszahlen nicht mehr länger für unsere Kommunen abpuffern“, teilen Landrat Jan Weckler und Erste Kreisbeigeordnete Stephanie Becker-Bösch mit.
Die Landkreise, Städte und Gemeinden in Deutschland sind gesetzlich verpflichtet, die ihnen von Bund und Land zugewiesenen Menschen aufzunehmen und unterzubringen. Bisher hat der Wetteraukreis nur die Kriegsgeflüchteten aus der Ukraine an die Städte und Gemeinden verteilt, während er selbst die Verantwortung für die Unterbringung der Geflüchteten aus weltweiten Krisengebieten übernommen hat.
„Wir haben die Zuweisungszahlen so lange wie möglich für die Städte und Gemeinden abgefedert, indem wir das Landesaufnahmegesetz nicht konsequent angewendet haben. Auch jetzt arbeiten wir weiter unter Hochdruck an der Schaffung der Unterkünfte, die wir bereits seit Monaten planen“, sagen Landrat Jan Weckler und Erste Kreisbeigeordnete Stephanie Becker-Bösch. Viele davon seien nicht zuletzt aufgrund der schwierigen Lage in der Baubranche in ihrer zeitlichen Planung unsicher, sodass die Unterbringung der Weltgeflüchteten einzig durch den Wetteraukreis ab Juli nicht mehr sichergestellt werden könne.
Immer wenn eines der Großprojekte des Kreises fertiggestellt wird, werde dieses auch künftig mit Weltgeflüchteten belegt und die Zuweisung an die Städte und Gemeinden abgepuffert. „Mit perspektivisch kreisweit rund 4000 Bettenplätzen in etwa 120 Gemeinschaftsunterkünften haben wir jedoch die Grenze des Machbaren überschritten und können die Unterbringung weiterer Menschen als Landkreis nicht mehr länger sicherstellen.“
Im laufenden Quartal kommen pro Woche durchschnittlich 35 Personen in den Wetteraukreis, die Zuweisungszahlen des Landes für das dritte Quartal sind aktuell noch nicht bekannt. Ab Juli werden die dem Kreis zugewiesenen Geflüchteten nach einem festen Verteilschüssel in Abhängigkeit der Einwohnerzahl und der Anzahl der bereits aufgenommenen Personen auf die Kommunen aufgeteilt. Sie sind dann dafür zuständig, die Menschen unterzubringen – so ist es im Landesaufnahmegesetz vorgesehen. Die Städte Friedberg und Büdingen sind von der Zuweisung durch den Wetteraukreis ausgenommen, da das Land Hessen in beiden Kommunen bereits Landeserstaufnahmeeinrichtungen betreibt. Deutschlandweit und auch in Hessen wenden bereits viele Landkreise dieses Verfahren an, da die hohen Zuweisungszahlen nicht mehr allein durch die Kreise administrierbar sind.
Unterstützung für die Kommunen
Die Kreisspitze hat am gestrigen Mittwoch die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sowie die Vorsitzenden der Fraktionen im Wetterauer Kreistag in außerordentlichen Versammlungen über die Notwendigkeit und die Ausgestaltung des neuen Verfahrens informiert. Um die Städte und Gemeinden zu entlasten, wird eine „Kreis-Erstaufnahmeeinrichtung“ (KEAE) in Friedberg eingerichtet. Alle Geflüchteten werden nach der Zuweisung zunächst für mindestens zwei Wochen in der KEAE untergebracht. In dieser Zeit erledigt der Wetteraukreis die grundlegende Administration – also etwa Antragsstellungen, Termine mit der Ausländerbehörde oder die Einrichtung von Bankkonten. Erst im Anschluss werden die Menschen an die Kommunen weiterverteilt.
Darüber hinaus bietet der Wetteraukreis für die zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kommunen kurzfristig und regelmäßig Besprechungen an, um Hilfestellung zu leisten und notwendiges Wissen und Erfahrungswerte weiterzugeben. Auch bei der Akquise neuer Unterkünfte durch die Städte und Gemeinden steht der Kreis bei Bedarf beratend zur Seite – etwa in Sachen Brandschutz, Ausstattung und einzuhaltender Auflagen. Seine Zahlungen an die Städte und Gemeinden wird der Wetteraukreis auch dann fortführen, wenn die Landesförderung wegfällt. Schwerstkranke Personen und Menschen mit Beeinträchtigungen werden weiterhin nach Verfügbarkeit mit Priorität in kreiseigenen barrierearmen Gemeinschaftsunterkünften untergebracht.
„Die Belastung für die kommunale Ebene steigt immer weiter an. Gleichzeitig war auch der dritte Flüchtlingsgipfel eine herbe Enttäuschung. Schon die beiden vorangegangenen Gipfel haben außer Angeboten von maroden Bundesimmobilien, Absichtserklärungen und der Bildung von Arbeitsgruppen keine konkreten Ergebnisse gebracht. Im Sinne unseres Asylrechts braucht es eine spürbare Begrenzung und Steuerung der Migration – auch mit Blick auf die schwindende Akzeptanz der Bevölkerung“, betont Landrat Jan Weckler.
Rund 4900 Geflüchtete im vergangenen Jahr
2022 wurden dem Wetteraukreis rund 4900 Geflüchtete zugewiesen. Im Vergleich zur sogenannten „Flüchtlingskrise“ im Jahr 2015 ist das fast eine Verdopplung: Damals wurden insgesamt 2506 Personen aufgenommen. Im Vergleich zu 2021 haben sich die Zuweisungszahlen sogar verachtfacht. Vor diesem Hintergrund hat der Kreisausschuss bereits Mitte Oktober auch formal festgestellt, dass sich der Kreis in einer „Notsituation“ befindet.
Seit Anfang 2022 hat der Wetteraukreis über 1100 zusätzliche Plätze für Geflüchtete geschaffen, weitere sollen im dritten und vierten Quartal 2023 sowie in 2024 hinzukommen. Dazu zählen neben Leichtbauhallen unter anderem Unterkünfte in Bad Nauheim, Karben, Ortenberg, Reichelsheim, Wölfersheim und auf dem Kasernengelände in Friedberg.
Insgesamt wird der Kreis dann bis zu 4000 Menschen in etwa 120 Gemeinschaftsunterkünften betreuen.