„Schieb den Gedanken nicht weg“ – Begehbares Plakat im Kreishaus
„Mach niemandem die Tür auf.“ Und wenn die Gefahr schon drinnen ist? Sexuelle Gewalt kann überall passieren. Dass rund drei Viertel der Missbrauchsfälle in der eigenen Familie oder im sozialen Nahfeld geschehen, ist Thema einer besonderen Ausstellung im Foyer des Kreishauses in Friedberg. Es ist keine Ausstellung im eigentlichen Sinn, sondern ein begehbares Plakat. Landrat Jan Weckler hat das Plakat mit dem Titel „Schieb den Gedanken nicht weg“ eröffnet.
Eine Stellwand, mit einer Leinwand überzogen und bedruckt, ein Teppich, ein Stuhl. Auf einer Fläche von zehn Quadratmeter ist es die Kulisse für eine besondere Atmosphäre. Anschaulich wird thematisiert, dass zwei Drittel aller sexuellen Gewalttaten im persönlichen Umfeld stattfinden. Die eigenen vier Wände können Tatort sein. Wenn aber die Vermutung und der Gedanke, dass ein Missbrauch geschehen ist, nicht weggeschoben werden, kann die Wohnung auch der Ort sein, wo etwas gegen sexuelle Gewalt in der Familie getan wird.
Das begehbare Plakat ist Teil der Kampagne „Schieb den Gedanken nicht weg!“, die im vergangenen Jahr vom Bundesfamilienministerium und der Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Kerstin Claus, ins Leben gerufen wurde.
Die Beratungsstelle Wildwasser Wetterau e.V. zeigt es in Zusammenarbeit mit dem Fachdienst Frauen und Chancengleichheit des Wetteraukreises. "Die Sensibilisierungskampagne ist eine große Unterstützung für unsere Arbeit als Beratungsstelle zum Thema sexualisierte Gewalt in Kindheit und Jugend. Wir sind zuständig für die gesamte Wetterau. Unser Anliegen ist es, Bezugspersonen mehr Handlungssicherheit zu dem Thema zu vermitteln und Betroffene zu unterstützen", sagt Eva Kah, Beraterin bei Wildwasser Wetterau.
Seit Jahren werden konstant tausende Fälle von sexuellem Kindesmissbrauch zur Anzeige gebracht. Doch das ist nur das polizeiliche Hellfeld, das Dunkelfeld ist ungleich größer. Es wird geschätzt, dass ein bis zwei Kinder pro Schulklasse von sexueller Gewalt betroffen sind - bei rund drei Viertel der Fälle geschieht dies in der eigenen Familie oder im sozialen Nahfeld.
Von den meisten Menschen wird dieses reale Risiko im eigenen Umfeld allerdings weitgehend verdrängt: 90 Prozent der Bevölkerung halten es zwar für wahrscheinlich, dass sexuelle Gewalt vor allem in Familien stattfindet. 85 Prozent halten es aber für unwahrscheinlich oder ausgeschlossen, dass sexuelle Gewalt in ihrer eigenen Familie passiert oder passieren kann, so das Ergebnis einer FORSA-Umfrage im Auftrag der Unabhängigen Beauftragten.
„Es ist eine bedrückende Vorstellung, dass gerade der Ort, der Schutz und Geborgenheit geben sollte, für viele Kinder und Jugendliche ein Ort traumatischer Erlebnisse ist“, sagt Landrat Jan Weckler. „Das begehbare Plakat zeigt dies in beeindruckender Weise.“
Die Kampagne „Schieb den Gedanken nicht weg“ begann im vergangenen Jahr und wird nun unter dem Motto „Schieb deine Verantwortung nicht weg!“ fortgeführt. Es geht darum, auf welche Signale man achten sollte, wie man mit Kindern sprechen kann und wo es Hilfe- und Beratungsangebote gibt. Es geht darum, Verantwortung zu übernehmen.
Weitere Infos beim Hilfe-Portal Sexueller Missbrauch und bei der Unabhängigen Beauftragten.
Weiterführende Hilfe bei Wildwasser Wetterau, 61231 Bad Nauheim, In den Kolonnaden 17, Telefon: 06032-94 95 76 0.
Das begehbare Plakat ordnet sich zeitlich ein in den Europäischen Tag zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch (18. November) und den Internationale Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen (25. November).
„Schieb den Gedanken nicht weg“ ist eine Woche lang, bis zum 24. November (Freitag) im Foyer des Kreishauses in Friedberg zu sehen: Montag bis Donnerstag: 7.30 bis 16 Uhr, Freitag: 7.30 bis 12.30 Uhr.