Warum soll ich Angst vor dem Tod haben?

Der Künstler Gerd Paulicke stellt beim Wetterauer Projekt „Kunst in Kirchen“ in der katholische Pfarrkirche St. Stefanus in Ober-Wöllstadt aus

Ein Mann steht vor einem Gemälde, das einen Kopf zeigt, dessen Haut zerbröckelt.

In der Kunst von Gerd Paulicke nehmen die Themen Tod, Sterben und Vergehen eine wichtige Rolle ein. Er ist fasziniert von dem Augenblick, wenn alles bröckelig wird. Foto: privat

„Leben und Tod – Tod und Leben“ – unter diesem Thema startet am 6. September die achte Ausgabe des Projekts „Kunst in Kirchen“. Der Künstler Gerd Paulicke hat als zentrales Element seiner Ausstellung in der katholischen Pfarrkirche St. Stefanus in Ober-Wöllstadt ein Ölbild erarbeitet, das eine Hommage an Hans Holbein den Jüngeren sein soll.

Der „Blurred Christus“ in Schwarz-Weiß liegt auf dem Totenbett, gerade verstorben. Sein Körper verdreifacht sich, verschwindet langsam, hebt sich vom Boden. Das Originalbild „Toter Christus im Grab“ von Hans Holbein d.J. aus dem Jahr 1521 befindet sich im Kunstmuseum Basel und ist eine der wichtigsten Arbeiten der Sammlung. Für Gerd Paulicke, der selbst in Basel beheimatet ist, hat dieses Bild, das er als 12-jähriger Junge bei einem Museumsbesuch für sich entdeckte, den grundlegenden Impuls gegeben, sich mit Kunst auseinanderzusetzten. Bis heute sei dieser Impuls tief in seinen Arbeiten verankert, sagt er. Paulicke beschäftigt sich viel mit Zeitlichkeit, der menschlichen Seele sowie sakralen und kirchlichen Positionen.

Den Betrachterinnen und Betrachtern seiner Werke möchte Paulicke keine Antworten geben: „Ich kann mit meinen Arbeiten nur Fragen stellen, die unser Verstand nicht begreifen kann.“ Vielmehr möchte der studierte Bildhauer eine Atmosphäre schaffen, die die Menschen „auf einer anderen Ebene berührt, die nicht in Worte gefasst werden kann.“

Gefragt, ob er nach all seiner Beschäftigung mit der Vergänglichkeit Angst vor dem Tod habe, fragt er zurück: „Warum soll ich Angst vor dem Tod haben? Ich habe doch auch keine Angst, wenn ich mir Gedanken mache, wo ich war, bevor ich geboren wurde.“ Von dem, was nach dem Tod komme, lasse er sich einfach überraschen.

Für den reflektierten Künstler, der lieber fragt als sagt, bedeutet die Ausstellung in Ober-Wöllstadt auch ein Ende mit dem Ende: „Manchmal merke ich, dass die Thematik Tod in meinen Arbeiten überhandnimmt. Dann ist alles gezeigt, was ich zeigen möchte“, sagt Paulicke. Darum sei das Projekt „Kunst in Kirchen“ für ihn ein „kreativer Schlussstrich“ unter die künstlerische Auseinandersetzung mit dem Tod: „Die Vielfalt der lebensbejahenden Themen ist größer.“

Über „Kunst in Kirchen“

„Kunst in Kirchen“ wird seit 2008 im Wetteraukreis ausgerichtet. Gefördert wird das Projekt vom Wetteraukreis, dem katholischen Bistum Mainz, den Evangelischen Dekanaten Wetterau sowie Büdinger Land, der Stiftung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, dem Mittelhessische Kultursommer und der Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen. In diesem Jahr konnten neben Ulli Böhmelmann Jan Daniel Fritz (Friedberg), Jan Ove Hennig (Frankfurt), Gerd Paulicke (Basel) und Erik Seidel (Leipzig) für das Projekt gewonnen werden. In fünf evangelischen und katholischen Gotteshäusern der Wetterau können Kunstinteressierte einen Monat lang herausragende zeitgenössische Werke rund um die wohl wichtigsten Fragen bestaunen: Wie nah liegen Anfang und Ende beieinander? Woher kommen wir und wohin gehen wir? Und was passiert dazwischen? Es geht um nicht weniger als Werden, Sein und Vergehen. 

Auftaktveranstaltung
„Kunst in Kirchen“ wird am 06. September (Freitag) um 19 Uhr in der Heilig-Geist-Kirche in Friedberg (Leonhardstraße 24) eröffnet. Die Harfenistin Miroslava Stareychinska wird die Veranstaltung musikalisch begleiten. 

Veröffentlicht am: 15. August 2024