Wenn Kinder häusliche Gewalt miterleben müssen

Eine Fachveranstaltung im Wetteraukreis rückt den Kinderschutz in den Fokus

Personen im Saal hören einem Vortrag zu

Am Vormittag gab der renommierte Rechtsexperte Prof. Dr. Ludwig Salgo einen umfassenden Einblick in die Gesetzeslage.

Ein fünfjähriges Mädchen sitzt mit seinem kleinen Bruder im Wohnzimmer. Die Eltern schreien sich an. Plötzlich fliegen Gegenstände, der Vater stößt die Mutter gegen die Tür. Auch die Kinder geraten dazwischen – sie werden gegen einen Schrank gedrückt, weinen, schreien, haben Angst, dass eines der Elternteile aus dem Fenster fällt. Ein Fall wie aus einem Film? Leider nicht – sondern ein Beispiel aus der Praxis, das während des Fachtags „Kinderschutz in Fällen häuslicher Gewalt“ im Plenarsaal der Wetterauer Kreisverwaltung vorgestellt wurde.

Kinder, die häusliche Gewalt miterleben, sind nicht nur stille Beobachter – sie sind selbst unmittelbar betroffen, denn Studien zeigen, dass sie diese so erfahren, als wären sie selbst betroffen. Die psychischen und physischen Folgen sind gravierend. Um Fachkräfte zu sensibilisieren und fortzubilden, veranstaltete der Fachdienst Frauen und Chancengleichheit des Wetteraukreises in Kooperation mit dem Jugendamt kürzlich einen interdisziplinären Fachtag. Der Fokus lag dabei auf dem Schutz und den Bedarfen betroffener Kinder.

„Der Schutz von Kindern vor Gewalt ist nicht nur eine fachliche, sondern eine gesellschaftliche Aufgabe, der wir uns gemeinsam stellen müssen“, betonte Landrat Jan Weckler, der den Fachtag eröffnete. „Gewalt in der Familie ist kein privates Problem, sondern ein gesellschaftliches Versagen. Wer Kinder schützt, schützt die Zukunft.“

Rund 100 Fachkräfte aus Jugendhilfe, Justiz, Beratung, Bildung und Gesundheitswesen nahmen an der Veranstaltung teil. Am Vormittag gaben zwei renommierte Fachleute wichtige Impulse: Kerstin Meyer vom Childhood-Haus Frankfurt erläuterte eindrücklich die seelischen Folgen häuslicher Gewalt für Kinder und zeigte auf, wie sich eine traumasensible und kindgerechte Gesprächsführung gestalten lässt.

Prof. Dr. Ludwig Salgo von der Goethe-Universität Frankfurt ordnete das Thema rechtswissenschaftlich ein: Das Miterleben häuslicher Gewalt sei eine Form der Kindeswohlgefährdung – und müsse daher zwingend in Sorge- und Umgangsentscheidungen berücksichtigt werden. Er kritisierte, dass viele Regelungen des neuen Gewalthilfegesetzes erst 2032 in Kraft treten, obwohl bereits heute Schutzpflichten aus Grundgesetz und Istanbul-Konvention bestehen.

Simone Mertel vom Fachdienst Frauen und Chancengleichheit resümierte: „In Fällen häuslicher Gewalt wird erfahrungsgemäß viel über die betroffenen Kinder gesprochen, aber kaum mit ihnen. Mit diesem Fachtag leisten wir einen wichtigen Beitrag, denn auch im Wetteraukreis sollte unser gemeinsames Ziel sein, das Wohlbefinden dieser Kinder in den Vordergrund zu stellen.“

Nach der Mittagspause konnten die Teilnehmenden ihr Wissen in den Workshops vertiefen: Täterarbeit als Kinderschutzmaßnahme (mit Roman Röttger und Katharina Dietz von pro familia) und der interdisziplinäre Austausch in Kindschaftsverfahren (Simone Mertel, Wetteraukreis). Ein dritter Workshop „Beratung und Unterstützung betroffener Kinder“ wird nachgeholt, Interessentinnen können sich hierzu noch anmelden.

Die Resonanz war durchweg positiv: Viele Teilnehmende äußerten großes Interesse an einer Fortsetzung der Veranstaltung und an weiteren Qualifizierungsangeboten. Besonders hervorgehoben wurde der interdisziplinäre Austausch und die praxisnahe Ausrichtung der Workshops. Der Fachtag hat gezeigt: Kinderschutz bei häuslicher Gewalt erfordert vernetztes Handeln, klare gesetzliche Rahmenbedingungen, die Förderung von Angeboten für betroffene Familien und vor allem ein konsequentes Ernstnehmen der kindlichen Perspektive. Der Wetteraukreis setzt mit dieser Veranstaltung ein deutliches Zeichen für die Umsetzung der Istanbul-Konvention – und für mehr Schutz und Unterstützung für betroffene Kinder.

Weitere Informationen

Für Rückfragen steht Simone Mertel vom Fachdienst Frauen und Chancengleichheit zur Verfügung. Weitere Informationen gibt es auch online auf der Seite des Wetteraukreises 

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Veröffentlicht am: 27. Juni 2025