Mobile Geflügelschlachtung startet in der Wetterau

Geflügelschlachtmobil (Personen 1. Reihe von links nach rechts: Claudia Zohner, Koordinatorin der Modellregion Ökolandbau Wetterau, die Betreiber Marcel und Lisa Emrich mit Kindern, die hessische Tierschutzbeauftragte Dr. Madeleine Martin. 2. Reihe von links nach rechts: Mathias Walther, zweiter Kreisbeigeordneter und Landwirtschaftsdezernent, Dr. Hendrik Kamps, Fachdienst Landwirtschaft und die Leiterin der Fachstelle Lebensmittelüberwachung Dr. Veronika Ibrahim

In der EU müssen lebende Tiere oft auf sehr langen Transportwegen zu weit entfernten Schlachtstätten gefahren werden. Ausgestallte Legehennen aus Hessen werden (z.T. über Zwischenhändler) zu Schlachtbetrieben nach Niedersachsen oder gar Belgien gefahren. Auch Legehennen oder Freilandmasthähnchen aus Hühnermobilen, die regional direkt vermarktet werden sollen, mussten für Schlachtung bisher oft bis Mittel- und Nordhessen gefahren werden, weil es in der Wetterau keinen EU-zugelassenen Schlachtbetrieb gibt, der Lohnschlachtungen für diese Halter machen darf.

Die vorhandenen „registrierten“ Geflügelschlachtbetriebe (Direktvermarkter mit eigenem Schlachthaus) dürfen zwar nach Lebensmittelrecht bis 10.000 Tiere/Jahr schlachten und regional vermarkten, aber keine Lohnschlachtungen für andere Hühnerhalter durchführen. Sie schlachten für sich selbst oft deutlich weniger als 10.000 Tiere im Jahr, aber ihr Schlachthaus darf nicht von anderen genutzt werden. Eine EU-Zulassung, die dies ermöglichen würde, ist aufgrund der damit verbundenen Bürokratie, der Dokumentationspflichten und der hohen Gebühren für die Untersuchungen durch einen amtlichen Tierarzt/Tierärztin (Schlachttieruntersuchung und Fleischuntersuchung) für derartige Betriebe unrentabel. Viele Hühnerhalter mit artgerecht gehaltenen Tieren suchen daher vergeblich eine nahe gelegene Schlachtstätte, die auch eine geringe Anzahl von Hühnern oder Hähnchen schlachtet.

Deshalb trafen sich am 25. Januar 2019 eine Gruppe von FAchleuten, die dieses Problem lösen wollten auf dem Dottenfelder Hof in Bad Vilbel: Frau Dr. Madeleine Martin (Landestierschutzbeauftragte Hessen), Dr. Veronika Ibrahim (Fachstelle Lebensmittelüberwachung, Wetteraukreis), Dr. Hendrik Kamps (Fachdienst Landwirtschaft, Wetteraukreis) und Dr. Hansgeorg Jehner (Gerty-Strohm-Stiftung).

Es sollte in einem Pilotprojekt eine mobile Hühnerschlachtstätte entwickelt werden, die von mehreren Betrieben genutzt werden kann und nicht unter die EU-Zulassungspflicht fällt. Sie sollte insbesondere für ökologisch arbeitende Betriebe, aber auch sonstige kleine Hühnermobilbetreiber mit artgerechter Haltung entwickelt werden. Das Projekt wurde als ein weiterer Baustein der Modellregion Ökolandbau Wetterau im Fachdienst Landwirtschaft angesiedelt. Nach anfänglichen Rückschlägen konnten schließlich alle Probleme gelöst werden und der Bau einer Pilotanlage dank der finanziellen Unterstützung der Gerty-Strohm-Stiftung in Auftrag gegeben werden.

Am 03.07.2020 gab der zweite Kreisbeigeordnete Matthias Walther in Usenborn den Startschuss für das hessische Pilotprojekt: „Dies ist ein Leuchtturmprojekt für ganz Hessen!“

Frau Dr. Martin freut sich sehr, dass artgerecht gehaltene Hühner jetzt nicht mehr in enge Transportkäfige verladen werden und stundenlang unter erheblicher Witterungsbelastung (Hitze, Kälte, Regen) zu weit entfernten Schlachtstätten gefahren werden müssen: „Ich freue mich sehr für die Hühner aus Mobilställen, dass es uns gelungen ist, dieses Projekt für mehr Tierwohl hier zu verwirklichen!“

Die Amtstierärztin Dr. Veronika Ibrahim, die in der Wetterau für Tierschutz beim Schlachten zuständig ist, erklärt: „Das Geflügel wird im Schlachtmobil auf einem befestigten Platz direkt beim Hühnermobil oder in Stallnähe elektrisch betäubt und fachgerecht geschlachtet. Das Mobil ist mit allen Geräten wie z.B. Brühkessel, Rupfmaschine und Zerlegetisch ausgestattet!“ Sie hat die hochmoderne, manuelle Elektrobetäubungsanlage des Schlachtmobils, die von der Stiftung der Sparkasse Oberhessen gesponsert wurde, bei einer ersten Probeschlachtung am 25.06.2020 im Betrieb Veith in Dorheim überprüft und bestätigt, dass diese Methode für die Tiere deutlich schonender ist als die sonst übliche Kopfschlag- oder Bolzenschussbetäubung.

Marcel und Lisa Emrich, die den Betrieb des Mobils übernommen haben, erhielten bereits vor dem offiziellen Start des Schlachtmobils Anfragen, die weit über den Wetteraukreis hinausgehen und sind sich sicher, dass das Mobil ein echtes Erfolgsmodell werden wird.   

Frau Claudia Zohner von der Modellregion Ökolandbau Wetterau wünscht sich, dass durch das Wetterauer Geflügelschlachtmobil auch die Vermarktung regionaler Bioprodukte aus der Mobilstallhaltung gefördert werden kann.

Veröffentlicht am: 14. Juli 2020