Organisation von Sprachkursen Herausforderung für die vhs
Die Volkshochschule (vhs) Wetterau ist der größte Anbieter allgemeiner Integrationskurse im Wetteraukreis. Sie sieht sich derzeit großen Herausforderungen gegenübergestellt: Einerseits gibt es aufgrund der steigenden Flüchtlingszahlen immer mehr Interessenten für Sprachkurse – andererseits sorgen der anhaltende Fachkräftemangel und die wachsenden bürokratischen Anforderungen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) für Probleme.
Die vhs Wetterau hat die Anzahl ihrer Integrationskurse von 147 im Jahr 2021 auf 224 Kurse im vergangenen Jahr gesteigert. Während 2021 so noch 1532 Personen an Deutsch-Integrationskursen teilnahmen, waren es im vergangenen Jahr bereits 3022 Personen.
„Das ist eine Verdopplung im Vergleich zum Vorjahr und entspricht dem Niveau während der sogenannten Flüchtlingskrise 2016. Wir konnten es im vergangenen Jahr also deutlich mehr Menschen mit Bleibeperspektive ermöglichen, Deutsch zu lernen. Mit Blick auf die steigenden Flüchtlingszahlen und in der Folge die Integration der Menschen ist das erst einmal eine gute Nachricht“, fasst Landrat Jan Weckler zusammen. Ziel ist es zwar, Interessenten eine lange Wartezeit auf einen Kursplatz zu ersparen – wer sich derzeit anmelden möchte, muss jedoch trotzdem mit einigen Monaten Wartezeit rechnen. „Denn vor allem der bundesweite Fachkräftemangel stellt auch unsere Volkshochschule vor Herausforderungen“, so der Landrat.
Wie Daniel Schütz, Leiter der vhs Wetterau, berichtet, sei es derzeit schwierig, Kursleitungen besonders für Nidda und Büdingen, aber auch für Friedberg, Bad Nauheim oder Bad Vilbel zu finden: „Keine Kursleitungen bedeuten in der Folge keine neuen Kurse und keine Beratungstermine, in denen Teilnehmerinnen und Teilnehmern ein Kursplatz angeboten werden kann“, so Schütz.
„Verwaltungsaufwand hat sich massiv erhöht“
Gleichzeitig sorgen die immer anspruchsvolleren Vorgaben des zuständigen Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) für große Herausforderungen bei der vhs Wetterau und anderen Trägern von Sprachkursen. Daniel Schütz erläutert: „Wir müssen für jeden einzelnen unserer 224 Deutschkurse unter anderem eine Reihe verpflichtender Meldungen ans BAMF übermitteln. Der Verwaltungsaufwand hat sich im Vergleich zu 2015 und 2016, in denen nur die wesentlichen Daten der Kurse ans BAMF übermittelt wurden, massiv erhöht.“
Die vom BAMF geforderten Meldungen umfassen beispielsweise nicht nur die genauen Daten der Kurse (Dauer, Uhrzeit, Anzahl der Wochenstunden, Wochentage, Pausenzeiten, ein vom BAMF zugelassenes Lehrwerk, Kursleitung mit der jeweiligen Zulassungsnummer), sondern auch einige weitere Pflichtmeldungen. Dabei handelt es sich zum Beispiel um eine Kursabschnittsbeginn-Meldung, um nachzuweisen, dass jeder einzelne Kurs auch tatsächlich gestartet ist, sämtliche Kursunterbrechungen und -verschiebungen, etwa durch Ferien oder Krankheit, die tagesaktuell ans BAMF gemeldet werden müssen, die Barrierefreiheit des Raumes sowie alle persönlichen Daten der im Kurs angemeldeten Teilnehmerinnen und Teilnehmer samt deren aktuellen Berechtigungen oder Verpflichtungen als Voraussetzung zur Teilnahme am Integrationskurs.
Seit dem 1. Mai 2023 fordert das Bundesamt noch mehr verpflichtende Angaben: Die Angabe zur Kursform, ob in Präsenz oder online, zum Bedarf an Kinderbeaufsichtigung und zu zeitlichen Einschränkungen bei Kursteilnahme (Kursbesuch vormittags, nachmittags und/oder abends möglich) für jeden einzelnen Teilnehmer und jede einzelne Teilnehmerin.
Hinzu kommen Meldungen, die jeder Anbieter der Integrationskurse gegenüber den verpflichtenden Organisationen wie etwa dem örtlichen Jobcenter leisten muss: Es werden unter anderem Personen gemeldet, die am ersten Kurstag nicht im Kurs anwesend waren oder an mindestens drei zusammenhängenden Tagen nicht am Kurs teilgenommen haben. Diese Meldungen dienen dazu, fehlende Personen aufzuspüren und sie zum Kursbesuch zu bewegen, bedeuten aber für den Sprachkursträger, der einen pädagogischen Bildungsauftrag innehat, einen großen bürokratischen Aufwand.
Die Sprachkursträger machen zudem die Erfahrung, dass das BAMF auch bei mutmaßlichen Fehlern in der Dokumentation der Kurse die vom Kursträger gestellten Rechnungen nicht vollständig begleicht – etwa, wenn die Unterschrift eines Teilnehmenden an einem Unterrichtstag „anders aussieht als sonst“. Dem Träger wurde unterstellt, es sei eine fremde Person beschult worden, die nicht in den Kurs gehöre.
Prüfungsbedingungen verschärft
Auch die Prüfungsbedingungen sind verschärft worden, wie Daniel Schütz berichtet: „Statt zwei müssen nun drei Aufsichtspersonen während der schriftlichen Prüfungen anwesend sein. Zwei Aufsichten dürfen unter keinen Umständen den Prüfungsraum verlassen. Die dritte Aufsicht soll die Prüflinge während der Prüfung zur Toilette begleiten und als Fluraufsicht vor dem Prüfungsraum gegebenenfalls für Ruhe sorgen. Zusätzlich zum Prüfungsprotokoll muss ein genaues Protokoll über die Toilettengänge mit Namen und Uhrzeiten geführt werden.“
Aus Sicht von Landrat Jan Weckler muss die Durchführung und Teilnahme an Sprachkursen schnellstmöglich erleichtert anstatt bürokratisiert werden: „Die zusätzlichen Auflagen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge untergraben klar die Bemühung der kommunalen Ebene, den Menschen, die zu uns kommen und eine Bleibeperspektive haben, schnellstmöglich die deutsche Sprache beizubringen“, kritisiert der Landrat abschließend.