Erste Ukrainer eingetroffen – Welle der Hilfsbereitschaft in der Wetterau

Drei Personen auf einer Bank in einer Sporthalle.

Deniz (45), seine Schwiegermutter Irina (60), eine bekannte Musikerin und deren Vater Alexander (83), der sich als Akkordeonspieler einen Namen gemacht hat. Die Ehefrau und Tochter von Deniz wollten nicht auf das Bild. Nach einigen Stunden in der Sporthalle Am Seebach haben sie eine Unterkunft in Ockstadt gefunden.

73 Flüchtlinge aus der Ukraine, vor allem Frauen und Kinder, sind bislang in der ersten Anlaufstelle für ukrainische Kriegsflüchtlinge in der Sporthalle Am Seebach in Friedberg angekommen. Das teilt Landrat Jan Weckler mit.

„Wir haben die meisten Menschen weitervermitteln können, denn es gibt im Wetteraukreis eine Welle der Hilfsbereitschaft. Mittlerweile haben wir mehr als 200 Wohnraumangebote mit 500 Schlafplätzen“, berichtet Weckler, der heute in einer Telefonkonferenz die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister über die Lage informierte. „Der Wetteraukreis bereitet sich derzeit auf die Aufnahme weiterer Flüchtlinge aus dem Kriegsgebiet vor“, so der Landrat.

Es wird davon ausgegangen, dass auch weiterhin Sporthallen für die Unterbringung von Flüchtlingen benötigt werden.

Bisher sind die Flüchtlinge zumeist nur wenige Stunden in der Anlaufstelle des Wetteraukreises geblieben. Dort bekommen sie zu essen und zu trinken und finden einen Platz, wo sie zur Ruhe kommen können. Ein Teil der Flüchtlinge hat sich bereits auf eigene Faust auf den Weg zu Verwandten und Freunden gemacht.

Andere konnten an die Stellen vermittelt werden, die über die Wohnungsbörse für Flüchtlinge angeboten wurden. Auf ihr können Wohn- und Schlafangebote eingestellt werden, genauso möglich sind konkrete Suchanfragen. Besonders interessant sind Angebote, die ein dauerhaftes Mietangebot beinhalten. Fachleute gehen davon aus, dass viele der Flüchtlinge über einen längeren Zeitraum bleiben werden, vor allem dann, wenn deren Heimatstädte zerbombt sind.

„Die Welle der Hilfsbereitschaft, die durch die Wetterau geht, ist sehr groß. Das Land Hessen sowie die Hilfsorganisationen verweisen darauf, dass für effektive Hilfe momentan in erster Linie Geldspenden in Betracht kommen. Gerade die Hilfsorganisationen mit ihren bewährten Strukturen wissen genau, was benötigt wird und kommunizieren das entsprechend“, betont der Landrat. Es sei derzeit keine gute Idee, eigenständig mit gekauften oder gesammelten Kleiderspenden in Richtung Grenze zu fahren. Die Helferinnen und Helfer vor Ort sind vollauf beschäftigt mit der Versorgung und Verteilung der Flüchtlinge.

Weitere Informationen gibt es beim Land auf Hessen hilft Ukraine.

Anmeldung ukrainischer Flüchtlinge

Für ukrainische Staatsangehörige, die aktuell in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sind, ist zunächst ein legaler visafreier Aufenthalt von 90 Tagen möglich. Diejenigen, die bereits bei Freunden, Bekannten oder in einer vermittelten Unterkunft untergekommen sind, sollten sich innerhalb von 14 Tagen bei dem für den Wohnort zuständigen Einwohnermeldeamt melden.

Eine Meldung beim Wetteraukreis ist formal in den ersten Tagen nicht nötig, kann aber sehr sinnvoll sein, wenn Fragen sind oder Unterstützung benötigt wird.

Bei Bedarf an Sozialleistungen ist eine Kontaktaufnahme mit der Bestätigung über die Anmeldung (Meldebescheinigung) beim Fachdienst Soziale Hilfen/Migration des Wetteraukreises möglich, E-Mail.

Außerdem bittet der Wetteraukreis um Mitteilung an die genannte E-Mail-Adresse, wann Flüchtlinge an- und wo sie untergekommen sind.  

Weiterhin steht die zentrale Service-Nummer für alle Fragen rund um die Ukraine-Hilfe zur Verfügung: 06031/833 833, Montag bis Freitag von 9 bis 16 Uhr, werden alle relevanten Fragen aufgenommen.

Gelandet in Ockstadt - Vier Generationen aus Charkiw

Die Stadt Charkiw ist nach Kiew mit rund 1,5 Millionen Einwohnern die zweitgrößte Stadt der Ukraine. Nach Kiew ist die Stadt das bedeutendste Wissenschafts- und Bildungszentrum des Landes und beherbergt viele Hochschulen mit Studenten aus der ganzen Welt. „Wir haben hier mit Menschen aus den unterschiedlichsten Nationen friedlich zusammengelebt – bis der Angriff der russischen Armee kam“, sagt Deniz, der nach drei Tagen der Flucht aus Charkiw in Friedberg angekommen ist. Deniz ist IT-Manager, eine Gehbehinderung befreit ihn vom Kriegsdienst und so konnte er mit seiner Frau und der zweijährigen Tochter, seiner Schwiegermutter und deren Vater fliehen. „Die Häuser in der Nachbarschaft sind zerstört. Ich habe erlebt wie zwei Menschen vor meinen Augen an einem öffentlichen Brunnen durch Schüsse starben. Ich kann das nicht vergessen und wollte nur noch mit meiner Familie weg.“

Drei Tage hat die Flucht gedauert. Endpunkt war Friedberg. Nach ein paar Stunden in der Sporthalle ist eine Unterkunft für die fünf Flüchtlinge gefunden. In der nächsten Zeit wird deren Zuhause in Ockstadt sein. Zwei Reisetaschen und drei Plastiktüten werden in den Kleinbus verstaut. Ein paar Winterkleider über dem Arm. Mehr ist der Familie nicht geblieben. Aber sie sind gesund und am Leben, das ist das Wichtigste.

Veröffentlicht am: 08. März 2022