Plädoyer für das Fahrrad – 3. Wetterauer Fahrradkonferenz in Nidda

Kreisbeigeordneter Matthias Walther und Prof Dr. Martina Lohmeier, Inhaberin des Lehrstuhls für Mobilitätsmanagement und Radverkehr an der Hochschule RheinMain in Wiesbaden.

Zur 3. Wetterauer Fahrradkonferenz hat Kreisbeigeordneter Matthias Walther Verkehrsexpertinnen und Verkehrsexperten nach Nidda eingeladen.

„Das Fahrrad, dessen Erfindung sich kürzlich zum 200. Male jährte, gewinnt in einem rasanten Tempo an Bedeutung.“ Der Wetterauer Dezernent für Regionalentwicklung, Matthias Walther nannte dafür drei Gründe:

  1. Der Mobilitätswandel kann und wird zur Erreichung klimapolitischer Ziele beitragen. Damit dies gelingt, ist eine Förderung des Radverkehrs unverzichtbar geworden. Ausgewiesenes Ziel des Wetteraukreises: eine durch infrastrukturelle Maßnahmen und zielgerichtete Öffentlichkeitsarbeit beeinflusste Umverteilung der Verkehrsmittelwahl zugunsten des Radverkehrs.
  2. Die Schattenseite der Digitalisierung sorgt dafür, dass immer weniger junge Menschen mit dem Fahrrad unterwegs sind. Der Wetteraukreis lässt derzeit für alle weiterführenden Schulen ein kreisweites Schülerradroutennetz erarbeiten, das dazu beitragen soll, das Fahrrad wieder stärker zu nutzen. „Frühe Bewusstseinsbildung bietet ein großes Potential, da insbesondere bei Kindern und Jugendlichen noch keine über Jahre gefestigten Mobilitätsroutinen vorherrschen“, so Matthias Walther weiter.
  3. Schließlich schafft die Elektromobilität auf dem Fahrrad die Möglichkeit, auch längere Strecken zurückzulegen, ob im Freizeitverkehr oder auf dem Weg zur Arbeit. Zudem werden neue Zielgruppen wieder für das Fahrrad gewonnen, ältere Menschen, besonders im ländlichen Raum und dort, wo auch viele Höhenmeter zu überwinden sind.

Niddas Bürgermeister Hans-Peter Seum sprach davon, dass alles Schlechte (die Pandemie) auch sein Gutes habe, nämlich dass Wandern und Radfahren in der Region massiv zugenommen habe. Deshalb komme dem Radverkehr auch zusätzliche Bedeutung zu.

Den inhaltlichen Teil begann Peter Hünner, der in der Kreisverwaltung für den Radverkehr zuständig ist. Er stellte die Neukonzeption des Kreisradroutennetzes vor und kündigte an, dass noch in diesem Jahr mit der Neubeschilderung des fast 1.200 Kilometer langen Radroutennetzes begonnen werde. Neben der Neubeschilderung ist auch der Neubau von Radwegen ein wichtiges Anliegen für die Förderung des Radverkehrs.

Egon Weß, bei Hessen Mobil im Dezernat Planung Mittelhessen für die Radwege zuständig, stellte insgesamt zwölf Maßnahmen für den Bau und Ausbau von Radwegen entlang von Landes- und Bundesstraßen vor. Für manche der Projekte bedürfe es aber einen langen Atem, vor allem wenn Flächen angekauft werden müssten.

Nach den beiden Sachstandsberichten des Wetteraukreises und von Hessen Mobil kamen die Konferenzteilnehmerinnen und -teilnehmer zu Wort. In einer lebendigen Diskussion wurde schnell deutlich: Anspruch im Wetteraukreis muss es sein, keine großen Umwege zu fahren, sondern die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten herzustellen. In der Regel sind das die bereits bestehenden Straßen. Deshalb sei es auch Ziel, vor allem entlang der Straßen Radwege zu bauen. Hier allerdings gebe es oftmals Probleme mit dem Grunderwerb. Deshalb sei es nötig, Umwege in Kauf zu nehmen und Wirtschaftswege zu Radwegen zu ertüchtigen, die dann allerdings auch mit der Landwirtschaft gemeinsam genutzt werden müssten.

Paul Fremer und Joscha Fuhrmann vom Büro RV-K, sind mit der Netzneubeschilderung im Wetteraukreis beauftragt. Die Planung und die Einrichtung von solchen Hinweisschildern ist das eine, die Unterhaltung allerdings eine oftmals unterschätzte Aufgabe. Mit der Anbringung von QR-Codes soll die Unterhaltung der Wegweisung bedeutend erleichtert werden. Man kann den QR-Code scannen und bekommt damit sofort den Standort und das entsprechende Schild, das an diese Stelle gehört, geliefert. Mit einem kurzen Hinweis zum Problem können alle Daten weiter an die zuständige Stelle zur Behebung geschickt werden.

Rouven Kötter, Erster Beigeordneter des Regionalverbandes FrankfurtRheinMain, stellte den Radschnellweg FRM 6 vor: ein Schnellweg, weitgehend kreuzungsfrei, der eine hohe Geschwindigkeit für Fahrräder erlaube und vom Marktplatz in Butzbach bis zum Frankfurter Hauptbahnhof führe. „Auch wenn nicht jeder diese Strecke fährt, kann dieser Schnellweg ein wichtiger Beitrag zur Nahmobilität sein.“

Den Abschluss der Vorträge bildete ein Referat von Prof. Dr. Martina Lohmeier. Die Wissenschaftlerin hat hessenweit einen von drei Lehrstühlen (in ganz Deutschland gibt es sieben davon) für Mobilitätsmanagement und Radverkehr inne. Die Pandemie, so Lohmeier, habe den Alltagsverkehr verändert. Insgesamt gebe es weniger Verkehr. Die Verteilung auf die einzelnen Verkehrsmittel habe sich allerdings maßgeblich verändert. Der Individualverkehr, insbesondere wenn nur eine Person im Auto sitzt, habe massiv zugenommen, der ÖPNV in gleichem Maße abgenommen.

Mit der Zunahme von Homeoffice habe der Fußgängerverkehr erheblich zugenommen, während der Radverkehr stagniere. Lohmeier sprach sich dafür aus, die entsprechende Infrastruktur zu schaffen für einen intermodalen Verkehr, also die Verknüpfung verschiedener Verkehrsmittel innerhalb einer Wegestrecke, etwa indem man mit dem Rad zum Bahnhof, mit dem Zug in die nächste Stadt und vom Bahnhof zu Fuß zur Arbeit laufe.

Da es den Verantwortlichen des Wetteraukreises sehr wichtig ist, Anregungen des Publikums in zukünftige Planungen einfließen zu lassen, gab es bei der diesjährigen Veranstaltung eine Besonderheit: Erstmalig wurden die Konferenzteilnehmerinnen und -teilnehmer zu Veranstaltungsbeginn mit der Frage konfrontiert, welche Bausteine zu einer erfolgreichen Radverkehrsförderung beitragen können. Mittels digitalem Tool wurden wertvolle Hinweise an der Leinwand visualisiert und anschließend diskutiert. Christian Sperling, Leiter des Fachbereichs Regionalentwicklung und Umwelt, griff die Anregungen auf und schnell wurde deutlich: Das Thema Radverkehrsförderung ist vielfältig und muss in einem komplexen System gedacht werden.

Und genau dies entspricht der Herangehensweise des Wetteraukreises. Unter dem Dach der „Radregion Wetterau“ wird es auch in den kommenden Jahren zahlreiche infrastrukturelle und öffentlichkeitswirksame Maßnahmen geben, die eng miteinander abgestimmt dazu beitragen sollen, dass der Wetteraukreis aktiv zur Mobilitätswende beitragen kann.

Veröffentlicht am: 09. September 2021

 

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