50 Jahre Wetteraukreis: Chornachmittag in Friedberg

Die Chormitglieder haben sich zum Gruppenfoto aufgestellt. Die eine Hälfte sitzt auf Stühlen in der vordere Reihe auf Stühlen, dahinter stehen die restlichen Personen.

Jeder dritte Mann in Usenborn ist Mitglied im Liederkranz, zu den regelmäßigen Chorproben freilich kommen nur noch rund 20 Männer. In der Pandemie sind manche ältere Sänger den Proben fern geblieben. Wenn das Wetter es zuließ, probte man unter freiem Himmel.

Vor 50 Jahren wurde der Wetteraukreis durch den Zusammenschluss der Altkreise Friedberg und Büdingen gegründet. Aus Anlass des 50. Geburtstags lädt Landrat Jan Weckler für den 28. August zu einem Liedernachmittag mit zehn Chören in die Stadthalle Friedberg ein: „Die Chöre in unserem Landkreis sind ein wichtiger Teil im Kulturangebot unserer Städte und Dörfer. Gerade sie haben in der Pandemie besonders gelitten. Dennoch haben viele Chöre mit großem Engagement und genauso viel Umsicht den Chorbetrieb aufrechterhalten und so den Verein durch diese schwierige Zeit gebracht. Deshalb freue ich mich besonders, gemeinsam mit hoffentlich vielen Gästen dieses Fest der Musik zu feiern.“ Die teilnehmenden Chöre wollen wir in einer kleinen Reihe vorstellen.

Liederkranz Usenborn

Egal von welcher Richtung man nach Usenborn fährt, es entstehen leicht Urlaubsgefühle. Eingebettet in die Hügellandschaft der Ausläufer des Vogelsberges, zwischen Feldern und Wäldern zählt das Dorf heute knapp 600 Einwohnerinnen und Einwohner. 116 von ihnen sind Mitglied des Liederkranzes, 23 davon sind aktive Sänger. Der Männerchor ist der älteste Verein des Ortenberger Stadtteils.

Chorgesang ist wichtig für die Dorfgemeinschaft

Trotz der allgemein beklagten Situation, dass den Vereinen der Nachwuchs fehlt, konnte man beim Liederkranz in den letzten Jahren einige neue und junge Sänger gewinnen.

Warum das so ist, weiß Robert Wegener zu beantworten. Er ist seit 2002 Vorsitzender des Vereins. „Chorgesang ist wichtig für die Dorfgemeinschaft. Mitglied im Gesangverein zu sein gehört einfach zum Ort. Und so ist der Liederkranz auch überall dabei, ob bei der Kirmes oder der Maibaumaufstellung, beim Grillnachmittag oder bei sonstigen Veranstaltungen. Es wird gesungen.“

„Singen ist gesund, es schafft Gemeinschaft und es macht einfach Spaß, Sänger zu sein“, sagt Alfred Franz. Der ehemalige Lehrer, der auch mal singt, um seine Stimmung zu verbessern ergänzt: „Wer das Glück hatte, einmal mit jungen Menschen arbeiten zu können, weiß, dass musikalisch vorgebildete Menschen leichter und schneller lernen.“

Die wichtigste Rolle im Chor hat Joachim Lotz inne. Er ist seit 2014 der musikalische Leiter und Dirigent des Vereins, mit ihm wurde das Repertoire erneuert und erweitert. Heute ist der Liederkranz Usenborn musikalisch breit aufgestellt und singt Volkslieder, Kirchenlieder und Pop in deutscher, englischer und französischer Sprache.

Der größte Vereinserfolg liegt einige Jahre zurück. 2016 errang der Verein mit der Auszeichnung für das am besten gesungene Volkslied beim Chorwettbewerb in Bad Salzhausen das Golddiplom.

„Chorgesang“, so Joachim Lotz ist Mannschaftssport, „da braucht es Disziplin, man muss sich selbst auch zurücknehmen, und sich in den Chor integrieren.“ Die Kunst sei es, aus den lyrisch leisen und den kräftig weitreichenden Stimmen ein Gesamtwerk zur formen.

Von Müller-Westernhagen bis zum Antikriegslied

Zur Chorprobe erscheinen knapp 20 Männer im Alter zwischen 15 und 75 Jahren. Sie beginnt mit Tonleitern, die auf und nieder gesungen werden. Chorleiter Lotz erinnert auch an die hohen Basslagen und dass es dann wieder ganz tief nach unten geht. Er gibt den Takt an, gestikuliert, legt beide Hände auf die Kiefergelenke, um zu zeigen, dass im geöffneten Mund der Ton erzeugt wird.

„Lustig, lustig zieh‘n wir ohne Sorgen ... durch die Welt …die Sänger sind da“, heißt es in dem Volkslied und tatsächlich entspannen sich mit zunehmender Probendauer die Gesichter und es wird gelacht, - die Sänger erfreuen sich an ihrem Gesang.

„Willenlos“ von Marius Müller-Westernhagen wird A capella gesungen. Dann kommt ein Gospel, der den Sängern viel abverlangt. Die hohe Taktzahl lässt die Sänger an ihre Grenzen kommen. „All my sins been taken away, taken – ta-ha-ken away „Mit vielen h’s am Ende!“, fordert Dirigent Lotz.

Ein klassisches Wander- oder Abschiedslied ist „Muss i denn, muss i denn zum Städtele naus“, das schon Elvis Presley interpretiert hat, aber vom Liederkranz Usenborn deutlich peppiger gesungen wird.

Die Liedtexte sind ganz unterschiedlich, sie reichen von modern bis zum traditionellen Volkslied, bei dem es oft um die Liebe zu einem Mädchen geht. Nicht alle Lieder werden von allen Sängern geschätzt. Wenn das Jägerlied erklingt, und von der Freude am Schießen gesungen wird, mag nicht jeder zustimmen. Aber es gehört einfach dazu, dass auch Lieder akzeptiert werden, die nur wenigen gefallen, geht es doch um die Vielfalt und Breite des Repertoires.

Schließlich wird noch ein ganz modernes und aktuelles Lied geprobt. „Prayer of the children“, das Gebet der Kinder, hat der Autor Kurt Bestor anlässlich des Jugoslawienkrieges komponiert und getextet. Heute erinnert es an die Leiden der Kinder im Ukrainekrieg. „Wir sind kein politischer Chor“, sagt Vereinsvorsitzender Wegener, „aber wir sind ein Chor mit Haltung. Dazu gehört es auch mit solchen Liedern aufzutreten.“

Ein Lied des Chores ist auf der YouTube Seite des Wetteraukreises schon jetzt zu sehen und zu hören.

Veröffentlicht am: 08. Juli 2022