Flüchtlingszahlen steigen massiv – Kapazitäten bald erschöpft
Über eine Million Menschen sind in diesem Jahr schon nach Deutschland geflüchtet. Auch im Wetteraukreis steigt die Zahl der Geflüchteten, die untergebracht werden müssen, derzeit so massiv an wie zuletzt während der Flüchtlingskrise 2015. Wie Landrat Jan Weckler mitteilt, sind die Unterbringungskapazitäten in wenigen Wochen erschöpft.
Das Hessische Sozialministerium hat in der vergangenen Woche mitgeteilt, dass die Zuweisungen an die Landkreise im vierten Quartal im Vergleich zur bisherigen Prognose verdoppelt werden. Das heißt: Über 90 Geflüchtete kommen jetzt pro Woche in den Wetteraukreis, zugewiesen durch das Land Hessen, das wiederum Geflüchtete durch den Bund zugewiesen bekommt. Ein Teil davon – wöchentlich etwa 20 Personen – kommen aktuell aus der Ukraine, mit rund 70 Personen kommt derzeit der überwiegende Teil aus den weltweiten Krisengebieten.
Geflüchtete aus der Ukraine werden durch den Wetteraukreis direkt an die Städte und Gemeinden zugewiesen und dort untergebracht. 950 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine sind inzwischen an die Wetterauer Städte und Gemeinden zugewiesen worden. Da viele auf privatem Weg direkt zu Verwandten oder Bekannten geflohen sind, sind derzeit insgesamt sogar über 3.300 Ukrainerinnen und Ukrainer im Wetteraukreis angekommen.
Personen aus den weltweiten Krisengebieten bringt der Kreis in seinen eigenen Liegenschaften unter. „Das Asylrecht ist ein hohes und wichtiges Gut. Menschen, die in Not sind, muss geholfen werden. Doch die aktuelle Situation ist dramatisch. Wir stoßen an die Grenzen unserer Hilfs- und Unterbringungsmöglichkeiten – und wir fühlen uns zunehmend mit dieser gewaltigen Herausforderung alleine gelassen“, fasst Landrat Weckler zusammen.
Die im Wetteraukreis untergebrachten Geflüchteten kommen überwiegend aus Afghanistan, außerdem vor allem aus Syrien, Irak, Somalia, Äthiopien, Iran und Eritrea. Stand Anfang Oktober sind in den Unterkünften des Wetteraukreises noch rund 140 Plätze frei. Und das, obwohl der Wetteraukreis auf Grund der Ankündigung der Zuweisungen durch Bund und Land die Unterbringungskapazitäten in den vergangenen Monaten bereits deutlich erhöht hat und auch weitere Erhöhungen plant. Wenn die Zuweisung auf diesem Niveau bleibt, werden auch diese Kapazitäten wenige Wochen später wieder erschöpft sein.
Daher werden im Landkreis aufgrund der sich zuspitzenden Lage derzeit auch im engen Austausch mit den Städten und Gemeinden alle weiteren Möglichkeiten der Unterbringung geprüft.
Zuletzt hatten bereits der Deutsche Landkreistag und der Deutsche Städte- und Gemeindebund Bundeskanzler Olaf Scholz in einem Brandbrief aufgefordert, angesichts des immensen Zustroms einen Flüchtlingsgipfel abzuhalten. Denn auch viele andere Landkreise und Kommunen haben wie der Wetteraukreis bereits die Grenzen ihrer Aufnahmekapazitäten erreicht. In dem Brief wird unter anderem kritisiert, dass die Bundesregierung trotz der ohnehin angespannten Lage zusätzliche Anreize für Geflüchtete schaffe, nach Deutschland zu kommen. So etwa die Erhöhung des Bürgergeld-Regelsatzes und Änderungen im Aufenthaltsrecht, die eigentlich für die Anwerbung von benötigten Fachkräften dienen sollen.
Die Bundesregierung toleriere die derzeit unkontrollierte Durchleitung von Geflüchteten aus Serbien über Österreich und Tschechien nach Deutschland – ohne gleichzeitig sicherzustellen, dass die Landkreise, Städte und Gemeinden die Menschen auch tatsächlich unterbringen können.
Landrat Jan Weckler hatte in der gestrigen Kreistagssitzung auf die Situation im Landkreis hingewiesen und sich der Einschätzung der „dramatischen Lage“ durch den Präsidenten des Deutschen Landkreistages angeschlossen: „Bei aller Hilfsbereitschaft: Deutschland kann die Probleme der Welt nicht alleine lösen. Es bedarf hier vielmehr einer gemeinsamen europäischen Lösung. So kann es jedenfalls nicht weitergehen, wenn wir den sozialen Frieden und den gesellschaftlichen Konsens in diesem ohnehin herausfordernden Winter nicht gefährden wollen. Bleibt zu hoffen, dass die Bundesregierung die Warnrufe der Kommunen und Landkreise ernst nimmt und schnell reagiert.“