Geraubte Kindheit: Entführt vom Staat

Landrat Jan Weckler eröffnet die Ausstellung „Gestohlene Kinder“ im Kreishaus – Eine Aufarbeitung von Schicksalen politisch motivierten Kindesentzugs

Ein Mann steht mit einem Bilderrahmen in den Händen in einem langen Flur.

Landrat Jan Weckler plädiert für eine Anerkennung des Leids der Eltern und ihrer „gestohlenen“ Kinder und für rechtzeitige Prävention solcher politisch motivierter Taten. Foto: Wetteraukreis

Als Alexander Latotzky seine leibliche Mutter 1957 zum ersten Mal sah, war er neun Jahre alt – und siezte sie. Ursula Hoffmann hatte ihren Sohn im sowjetischen Speziallager Bautzen zur Welt gebracht. Dort verbüßte sie eine Haftstrafe wegen angeblicher Spionage. Alexander wurde ins Kinderheim gebracht. Heute sagt er: „Ich weiß nicht, wie sie den Verlust verwunden hat. Sie hat später nie viel darüber gesprochen.“

Leonardo Fossati Ortega kamen mit 27 Jahren Zweifel an seiner Identität. Ein Gentest bestätigte 2005 seine Vermutung: Seine Eltern sind nicht seine leiblichen Eltern. Leonardos Mutter und Vater waren von der argentinischen Militärdiktatur entführt und eingesperrt worden als seine Mutter im siebten Monat schwanger war. Der Säugling wurde einem kinderlosen Ehepaar gegeben. Bis heute sind die Eltern von Leonardo verschwunden.

Zwischen den Geschichten liegen rund 12.000 Kilometer. Aber sie eint die schreckliche Erfahrung, dass die Menschenverachtung autoritärer und totalitärere Regierungen auf der ganzen Welt auch vor den Kleinsten nicht Halt macht. Zwangsadoptionen und Kindesraub gab und gibt es bis heute. Eine Plakatausstellung der Elisabeth-Käsemann-Stiftung und der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur macht auf die Geschichten der Opfer politischen Kindesentzugs in acht verschiedenen Ländern und Regimen aufmerksam. Sie ist ab sofort für die nächsten zwölf Monate im Friedberger Kreishaus zu sehen.

Landrat Jan Weckler sagte bei der Eröffnung: „Kindesraub in internationaler Perspektive muss aufgearbeitet werden und ist leider auch in den aktuellen Krisenherden wieder ein Thema. Das Leid der Eltern und ihrer Kinder muss Gehör finden und anerkannt werden. Und wir müssen darüber reden, wie wir einer Wiederholung solcher Taten, die sich gegen die Schwächsten in unserer Gesellschaft richten, rechtzeitig begegnen können.“

Ausstellung bis 31. Oktober 2025

Die Ausstellung ist bis nächstes Jahr Oktober im Flur im ersten Stock des Gebäudes B des Friedberger Kreishauses, Europaplatz, zu sehen. Öffnungszeiten: montags bis mittwochs, 7.30 bis 16 Uhr, donnerstags bis 18 Uhr und freitags bis 12.30 Uhr.

Veröffentlicht am: 08. November 2024